In seinem heutigen Beitrag nimmt uns Michael Schiebinger mit in das 16. Jahrhundert, als auch in Mannersdorf die Ideen Martin Luthers auf fruchtbaren Boden fielen.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts lag vieles in der katholischen Kirche im Argen, daher regten sich in Europa verschiedene Reformbewegungen. Einer der führenden Köpfe war dabei der Mönch Martin Luther, der 1517 mit dem Anschlag seiner 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg erstmals öffentlich gegen die Missstände in der Kirche wetterte. Dies befeuerte andere Kritiker und löste ein innerkirchliches wie politisches Beben aus. Aus der zunächst angestrebten Reform der Kirche wurde deren Spaltung.
Während der Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert unterstand Mannersdorf mit der Herrschaft Scharfeneck den Freiherren von Polheim, die auf ihren Gebieten die Lehre Luthers unterstützten und förderten. Auch im Marktflecken dürften sich daher viele Bewohner:innen der Reformation angeschlossen haben. Um 1540 war in Mannersdorf eine landesfürstliche Kommission erschienen, um die hiesigen Zustände zu ergründen. Es gab jedoch nichts zu beanstanden, da Pfarrer Nikolaus Glogowitz die Gottesdienste „ziemlich“ feierte und noch an der katholischen Lehre festhielt. Bei den Gottesdiensten predigte er in deutscher Sprache und wiederholte die Predigt anschließend in kroatischer Sprache. Die Pfarrkirche wurde unter Pfarrer Glogowitz instandgehalten, der Pfarrhof war hingegen vernachlässigt.
Die Situation dürfte sich aber in den nächsten Jahrzehnten geändert haben, denn mit kaiserlichen Gnadenbriefen von 1572 und 1576 wurde den Märkten Mannersdorf und Hof erlaubt, die neue evangelische Lehre einzuführen. Zugleich mussten aber die katholischen Pfarren weiter bestehen bleiben. Während sich in Mannersdorf der evangelische Glaube rasch verbreitete, blieben Nachbarorte wie Au, Götzendorf und Pischelsdorf überwiegend katholisch. In Au war die kroatische Bevölkerungsmehrheit dafür ausschlaggebend und Götzendorf-Pischelsdorf hatte mit Alonso de Gamiz einen erzkatholischen Herrschaftsinhaber spanischer Herkunft. Weitere lokale Zentren der Reformation wurden hingegen Enzersdorf, Ebergassing, Trautmannsdorf und Schwadorf, da sie jeweils Herrschaftssitze protestantisch gesinnter Adeliger waren.
Die Konfessionsfrage war letztlich auch eine der Sprachgruppen, die deutschsprachige Bevölkerung bekannte sich weitgehend zur Lehre Luthers. Die Kroaten blieben hingegen dem katholischen Glauben treu, zum einen gab es Sprachbarrieren und zum anderen war das althergebrachte Kirchenleben ein wichtiges Bindeglied zur kroatischen Heimat. 1578 klagten die Kroaten des Marktes dann auch darüber, dass im Pfarrhof nun ein „sektischer Prädikant“ leben würde. Die Freiherren von Polheim dürften folglich einen evangelischen Prediger nach Mannersdorf geholt haben, da sie weitgehend frei über die herrschaftliche Pfarre verfügen konnten. Der evangelische Prädikant hätte vielerlei Neuerungen und Zwiespalt in die Gemeinde gebracht. Die Kroaten baten daher um die Wiedereinsetzung eines katholischen Pfarrers, der auch beide Sprachen beherrschen würde. Der Prädikant dürfte wohl ausschließlich auf Deutsch gepredigt haben und auf die Erhaltung der katholischen Pfarre war sichtlich auch keine Rücksicht genommen worden. Mit landesfürstlichem Befehl von April 1578 wurde dem Pfandinhaber der Herrschaft, Johann Cyriak von Polheim, tatsächlich aufgetragen, den lutherischen Prädikanten zu entfernen. Die Anordnung wurde ignoriert, ebenso ein zweiter Befehl vom Juni 1578. Somit wurden kaiserliche Klosterräte nach Mannersdorf entsandt, um die Einsetzung eines katholischen Pfarrers durchzusetzen. Die Bewohner:innen des Marktes legten den kaiserlichen Beamten aber die Gnadenbriefe von 1572 und 1576 vor und setzen den Verbleib des Prädikanten durch. Auch wurde den Klosterräten die Herausgabe von Kircheninventar verweigert – Mannersdorf blieb protestantisch.
Johann (Hanns) Cyriak Freiherr von Polheim (1558-1582) hatte zunächst in Wittenberg und ab 1576 in Rostock studiert. Er war folglich eine durch und durch protestantisch geprägte Persönlichkeit. Wohl als Machtdemonstration ließ der Freiherr die Mannersdorfer Pfarrkirche sperren und entzog sie so den verbliebenen, meist kroatischen Katholiken. Als diese 1580 abermals einen katholischen Pfarrer einforderten, wurden sie vom protestantisch gesinnten Marktrichter Leonhard Altenstadler aus den Amtsräumen geprügelt. Ein neuerlicher Befehl zur Wiedereinsetzung eines katholischen Pfarrers und zur „Abschaffung“ des Prädikanten erging.
Im August 1581 wurde Pankratz Reschitz aus der Krain als neuer katholischer Pfarrer von Mannersdorf präsentiert und im Jänner 1582 installiert. Freiherr von Polheim akzeptierte zwar die Einsetzung von Reschitz, versagte ihm aber seine Unterstützung und seinen herrschaftlichen Schutz. Zudem hielt Polheim weiterhin an seinem evangelischen Prädikanten fest, der im herrschaftlichen Edel-/Meierhof und nicht in der gesperrten Pfarrkirche predigte. Während die deutschsprachige Bevölkerung sich dem katholischen Pfarrer ebenso verweigerte, sicherten ihm einzig die Kroaten ihre finanzielle Unterstützung und ihren Schutz zu. Pankratz Reschitz wurde vom evangelischen Prädikanten verleumdet und von der protestantischen Bevölkerung verhöhnt. Reschitz betreute zeitgleich auch die katholischen Kroaten von Hof, wo der deutschsprachigen Bevölkerung das Evangelium sogar von einem Handwerker vorgelesen werden musste. Auf die katholischen Gebräuche wurde indes in Mannersdorf nicht mehr geachtet und in der Fastenzeit ausgiebig Fleisch konsumiert.
Die protestantisch gesinnten Gemeindeväter wurden letztlich nach Wien vorgeladen. Marktrichter Leonhard Altenstadler gab an, seit seiner Jugend der Lehre Luthers anzugehören. Der Badmeister Georg Eiberl, der Bauer Ruprecht Neuburger, der Schmiedemeister Hermann Wenig und Matthias Obinger erklärten ebenso, seit Jahren protestantisch gesinnt zu sein und dem katholischen Pfarrer nicht anerkennen zu wollen. Wolf Kurz gab zu Protokoll, dass er lutherisch erzogen worden sei und auch so den Bund der Ehe geschlossen habe. Die „Rädelsführer“ aus Mannersdorf wurden zur Zwangsarbeit im Wiener Stadtgraben verurteilt, dies wirkte aber keinesfalls abschreckend. In Mannersdorf hatte indes der seit August 1584 belehnte Pfandinhaber der Herrschaft, Eustachius Freiherr von Althan, sogar drei evangelische Prädikanten angestellt und bedrohte die Katholiken, die die Pfarrkirche aufsuchen wollten. Eustachius von Althan (†1602) stand zwar in kaiserlichen Diensten, war aber selbst Protestant und hatte in zweiter Ehe in die Familie Polheim eingeheiratet.
Der 1588 eingesetzte katholische Pfarrer von Mannersdorf, Peter Bisanicius, war eine gänzliche Fehlbesetzung, denn er beherrschte keine der beiden Sprachen und wurde alsbald wieder abgesetzt. Im Jahr 1590 wurde Johann Perger als neuer katholischer Pfarrer investiert, neigte aber selbst einem allzu weltlichen Leben zu. So verstand er sich gut mit dem evangelischen Prädikanten, dürfte eine Beziehung zu seiner Köchin unterhalten haben und verprügelte die Kroaten – alsbald war er „entlaufen“. Auch sein 1593 installierter Nachfolger Pfarrer Michael Steinschütz machte seinem Amt keine Ehre. Die Katholische Kirche hatte während der Reformation unzählige „abtrünnige“ Geistliche verloren und kämpfte nun sichtlich mit einem Personalmangel bzw. schlecht ausgebildeten Priestern.
Über die katholische Gegenreformation (Rekatholisierung) in der Herrschaft Scharfeneck gibt es bisher kaum Kenntnis. Es ist aber davon auszugehen, dass diese auch in Mannersdorf im Laufe des 17. Jahrhunderts mit Zwang und Gewalt durchgesetzt wurde. Die Zeit war jedenfalls keineswegs ruhig, denn ab 1618 tobte der Dreißigjährige Krieg als finale Folge der konfessionellen Spaltung Europas. Mitten in dieser stürmischen Zeit wurde ab 1638 die Mannersdorfer Pfarrkirche weitgehend neu errichtet. Der Bau ist zweifelsohne ein Zeugnis der Gegenreformation und sollte als katholische Machtdemonstration dienen. Ein weiteres Dokument des Wiedererstarkens des katholischen Glaubens wurde das 1644 gegründete Karmeliterkloster St. Anna in der Wüste. Trotz der kontemplativen Lebensweise nahmen die Karmeliter fortan wesentlichen Einfluss auf das religiöse Geschehen in der Region. Wie auch anderswo dürfte sich die Mannersdorfer Bevölkerung nun wieder offiziell zum katholischen Glauben bekannt haben, während wohl so mancher insgeheim der Lehre Luthers treu blieb. Wie weit sich der Geheimprotestantismus in unserer Gegend halten konnte ist aber fraglich. Die Herrschaft Scharfeneck war besonders im 18. Jahrhundert an das katholische Kaiserhaus gebunden und auch mit Maria Karolina Gräfin von Fuchs-Mollard residierte hier eine streng gläubige Katholikin, die stets die Belange der Kirche förderte.
Foto 1: Die Pfarrkirche von Mannersdorf, die während der Reformation stark vernachlässigt wurde
(Ausschnitt aus dem Stich von Jacob Huefnagl, 1617/18)
Foto 2: Johann Cyriak von Polheim, treibende Kraft der Reformation in Mannersdorf, studierte ab 1576 an der Universität Rostock, wie das dortige Matrikenbuch zeigt
(Universitätsarchiv Rostock, Matricula Academiae Rostochiensis 1419-1760, gemeinfrei, http://purl.uni-rostock.de/matrikel/100031477)
Foto 3: Der Mannersdorfer Edel-/Freihof war die Wirkungsstätte des evangelischen Prädikanten
(Idealisierende Darstellung des Gebäudes, Albert Schatek, Archiv des Stadtmuseums Mannersdorf)