Online-Gschichtl Nr. 189

Die Wasenbrucker Filztuchfabrik von Hutter und Schrantz - Teil 5

Im fünften Teil zur Geschichte der Wasenbrucker Filztuchfabrik berichtet Hans Amsis diesmal über die Zwischenkriegszeit und die NS-Zeit.

 

Nach dem Kriegsende 1918 gelang es in der Zwischenkriegszeit wieder Investitionen zu tätigen. 1922 errichtete die Firma Hutter und Schrantz in Wasenbruck ein Ambulatorium und eine erste Leichenhalle. Im Jänner 1923 wurde der Bau einer Wolferei und Reisserei baulich vollendet. 1924 bat die Firma um steuerliche Befreiung wegen der Erbauung eines Angestelltenwohnhauses und eines Brausebades in Wasenbruck. Das Brausebad bestand aus einem Vorraum, einem Heizraum, einem Ankleideraum, einem Baderaum und zwei Waschküchen. Im selben Jahr wurde auch ein Theatersaal in Wasenbruck eröffnet, der für 132 Sitzplätze oder 200 Stehplätze geplant war und auch als Kino verwendet werden sollte. 1929 wurden ein neuer Kessel angeschafft und eine neue Stepperhalle errichtet. Weiters beabsichtigte die Firma den Betrieb einer Schmalspurbahn. Diese sollte beim Fabrikshof beginnen und mittels einer Holzbrücke über den Werkskanal führen, ohne Fußwege, den Fuhrwerksverkehr oder den Verlauf des Kanals zu stören. So sollte die Strecke zur Bezirksstraße Mannersdorf-Götzendorf gelangen und auf der rechten Seite dieser Straße parallel zur bestehenden Lokalbahn weiterlaufen. An einer Stelle, die auch ohne Errichtung einer Bahntrasse für sehr gefährlich gehalten wurde, sollte die Strecke einen Fahrweg kreuzen. Die Behörde befürchtete dort eine Verschlimmerung der Situation und war überdies der Ansicht, dass die notwendigen Transporte auch mit Lastautos durchgeführt werden könnten. Das Bahnprojekt verlief letztlich im Sand.

In die Zwischenkriegszeit fällt auch der Höchststand der Beschäftigten in der Filztuchfabrik, zeitweise waren es bis zu 480 Personen. Politisch gärte es indes in Österreich, 1933 wurde unter Engelbert Dollfuß die Demokratie ausgeschaltet und der rückwärtsgewandte, austrofaschistische Ständestaat etabliert. In der Wasenbrucker Filztuchfabrik waren damals ebenso die politischen Lager vertreten, während die Geschäftsführung und die Beamten zum konservativen Lager zählten, waren die Arbeiter:innen links gesinnt, aber auch Nationalsozialisten waren unter ihnen zu finden. Während der Februarkämpfe von 1934 blieb die Lage in Wasenbruck, trotz des politisch heiklen Gemenges, allgemein ruhig. Die Schulchronik berichtete zum „34er-Jahr“: „In Wasenbruck selbst sind diese unheilvollen Tage vollständig ruhig verlaufen. Die Arbeiterschaft legte zwar am 12. Februar die Arbeit nieder und streikte bis 14. Februar mittags. Am folgenden Tag wurde wieder normal gearbeitet.“ Der Kommandant des sozialdemokratischen Schutzbundes Theodor Langthaler, der Ortsobmann der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Matthias Niessl, der Oberlehrer Karl Gsching, der Konsumleiter, der Betriebsratsobmann der Firma Hutter und Schrantz sowie zwei weitere, vermeintlich „radikale“ Organisatoren wurden verhaftet. Wie die Mannersdorfer politischen Gefangenen der Ständestaatdiktatur wurden die Wasenbrucker Protagonisten nach einigen Monaten Haft im Anhaltelager Wöllersdorf wieder entlassen. Dem Oberlehrer wurde die Leitung der Schule entzogen, außerdem versetzte man ihn an einen anderen Dienstort. Die Bewohner von Wasenbruck versuchte man indes für die konservativ-autoritäre Politik des Regimes zu gewinnen, was aber auf erhebliche Schwierigkeiten stieß. Die Arbeiterschaft dachte nicht im Traum daran, sich ihre bisher erkämpften Erfolge vom Ständestaatregime wieder abspenstig machen zu lassen. Der Ostbahnbote berichtete im Dezember 1934 ganz auf regierungstreuer, propagandistischer Linie: „Die Fabrikskolonie der Hutter und Schrantz AG. Wasenbruck feierte in letzter Zeit zwei gut gelungene Feste, die zeigten, dass der vaterländische, christliche Geist des neuen Österreich auch dort, wenn auch langsam und in zähem Ringen mit lokal bedingten großen Schwierigkeiten, in ständigem Fortschreiten begriffen ist. Die große so zeitgemäße Ausgabe der Gewinnung der ehemals sozialdemokratischen Arbeiterschaft für die Mitarbeit am Neuaufbau unseres geliebten Vaterlandes erfordert gerade in Wasenbruck viel Klugheit, Geduld und Ausdauer, die aber letzten Endes doch zum Ziele führen werden.“

Am 8. Oktober 1935 verstarb dann Werksdirektor Wilhelm Anders an einem plötzlichen Herztod. 15 Jahre hindurch hatte er bis dahin die Geschicke der Wasenbrucker Niederlassung geleitet.

Im März 1938, als es zum sog. „Anschluss“ kam, wurde das Wasenbrucker Werk zunächst noch von der ständestaatlichen Frontmiliz bewacht, die uniformiert und bewaffnet war. In der Filztuchfabrik bestand aber auch, wie in vielen anderen Industriebetrieben, eine bis dahin illegale Gruppe von Nationalsozialisten. Diese sahen am 11. März 1938 ihre Stunde gekommen und marschierte nach Mannersdorf, um an der dortigen propagandistischen Kundgebung der Nationalsozialisten teilzunehmen. Vieles war wohl improvisiert, anderes schon von langer Hand geplant. Der Umsturz verlief offenbar ohne Zwischenfälle und als man Schuschniggs Rücktritt durch das Radio vernommen hatte, begaben sich die Wasenbrucker Nationalsozilisten zurück zu „ihrem“ Werk. Dort hoffte man noch die ständestaatliche Miliz entwaffnen zu können, doch deren Mitglieder hatten die Posten längst aufgegeben. Wie alle anderen Industriebetriebe wurde nun auch das Wasenbrucker Werk gleichgeschaltet und von der Ideologiemaschinerie des NS-Regimes geprägt. Selbst im „Völkischen Beobachter“ wurde propagandistisch über Wasenbruck als „ehem. Hochburg des Kommunismus“ berichtet. In wie weit Werksangehörige Opfer des NS-Terrors wurden, ist bisher unerforscht. 1939 wurde der werkseigene Sportverein aufgelöst und mit dem SC Mannersdorf zusammengelegt. Im Theatersaal wurden indes NS-Feiern und Kundgebungen abgehalten.

Im Zweiten Weltkrieg konnte wegen des allgemeinen Bauverbotes nicht weiter in die Filztuchfabrik investiert werden. Die Produktion ging aber nur geringfügig zurück, in Wasenbruck produzierte man nun auch Stoffe für die Waffen-SS. Da die meisten Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden, mussten die Frauen und die Nicht-Wehrfähigen für die Aufrechterhaltung des Betriebes sorgen. Sogar die Werksfeuerwehr wurde von den Frauen übernommen, die verschiedene Einsätze erfolgreich absolvierten. Wie in der Mannersdorfer Zementfabrik und in den bäuerlichen Betrieben der Umgebung wurden auch in der Filztuchfabrik Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit herangezogen. Über das Schicksal und das Leben dieser Männer ist leider wenig bekannt, sie könnten aber aus dem sog. STALAG in Kaisersteinbruch nach Wasenbruck gebracht worden sein.

 

 

Fortsetzung folgt …

Foto 1: Postkarte aus Wasenbruck N.D. ("Niederdonau"), 1940 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Ansicht der Wasenbrucker Hauptstraße um 1940 (Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 3: Ansicht der Fabrik im Jahr 1942 (Sammlung Theobald Grohotolski)