Online-Gschichtl Nr. 154

Das Steinkreuz von Valentin und Anna Polly

Das Pollykreuz gegenüber des Stadtparks ist vielen Mannersdorfer:innen ein Begriff, doch dürften dessen Geschichte und seine Stifter den Wenigsten bekannt sein. Michael Schiebinger wirft daher heute einen genaueren Blick auf ein interessantes Kleindenkmal unserer Stadt.

 

Das Pollykreuz ist an der Einmündung von vier Straßen gelegen, der Hauptstraße, der Sommereinerstraße, der Ziegelofengasse und des Perlmooserweges („Kinoweg“). Es wurde 1847 von Steinmetzmeister Valentin Polly und dessen Gattin Anna gestiftet. Die Inschrift am Sockel des Kreuzes nennt das Stifterpaar sowie den damals amtierenden Verwalter der Herrschaft Scharfeneck, Alois Richter, und den Marktrichter Josef Zwirschitz. Zudem erfährt der Leser, dass das Kreuz „Zum Andenken der Gemeinde“ errichtet worden war. Es ist anzunehmen, dass Polly das von ihm gestiftete Kreuz als Steinmetz auch selbst ausgeführt hat. Das Monument ist stilistisch eindeutig ein Werk des späten Klassizismus, dies zeigt sich in der klaren, einfachen Gestaltung aber auch in der Umsetzung des Gekreuzigten. Das Pollykreuz stellt eines der wenigen erhaltenen Steinkruzifixe seiner Zeit dar, zudem ist es eine rare, qualitätsvolle Bildhauerarbeit des Spätklassizismus in unserer Region.

Wie Heribert Schutzbier in seinem Marterlbuch ausführte, ist bereits auf der sog. Walter-Karte von 1754/55 im Bereich der heutigen Sommereinerstraße eine „St. Michaels-Säule“ bezeichnet. Diese dürfte aber nicht, wie Heribert Schutzbier vermutete, ein Vorgängermarterl des Pollykreuzes darstellen, sondern vielmehr jene Säule sein, die sich bis um 1900 an der Gabelung zur Roseggergasse befand. Die dortige, längst verschwundene Säule wurde bisher fälschlich als Florianisäule bezeichnet, da die Figur eine römische Rüstung trug, wie auf einer alten Fotografie erkennbar ist. Auf der Ansicht sind aber auch Flügel an der Figur zu sehen, die bisher offenbar niemand aufgefallen sind. Der hl. Florian vor dem Kostroun-Haus war also vielmehr ein hl. Michael, der als Erzengel mit Rüstung und Flügeln dargestellt wurde.

Auf der Josephinischen Landesaufnahme von 1773-81 ist vor dem Sommereiner Tor ein Marterl verzeichnet, ob es sich um die Michaelssäule handelte oder um das Vorgängermarterl des Pollykreuzes ist aber ungewiss. Dass es ein Vorgängermarterl an der Stelle des Pollykreuzes gab, zeigt jedenfalls die Perspektivkarte von Franz X. Schweickhardt aus dem Jahr 1837. Auf der Karte ist überdies auch die Michaelssäule an der Straße nach Sommerein erkennbar. Beide Marterln sind auch schon auf dem Franziszeischen Kataster von 1819-32 deutlich sichtbar an ihren Standorten eingezeichnet. Auch die spätere Franzisco-Josephinische Landesaufnahme von 1873 lässt beide Marterln an der Sommereinerstraße erkennen, das westlichere war dabei bereits das 1847 errichtete Pollykreuz.

Wer waren aber nun die beiden Stifter des Kreuzes? Valentin Polly stammte aus Nová Baňa/Königsberg (ung. Újbánya) in der heutigen Slowakei, die damals Teil des Königreichs Ungarn war. Valentin wurde in der alten Bergbaustadt um das Jahr 1800 als Sohn des Schuhmachermeisters Philipp Polly und dessen Gattin Magdalena geboren. Im Februar 1829 vermählte sich der 29-jährige Valentin Polly in der Mannersdorfer Pfarrkirche mit der bereits 44-jährigen Witwe Anna Maria Guritsch. Die Braut stammte aus Schörfling in Oberösterreich und war eine geborene Baumgartner. 1823 hatte sie in Mannersdorf im Alter von 38 Jahren Jakob Guritsch geheiratet. Annas erster Gatte verstarb jedoch noch 1828 an einer Lungenlähmung, sodass sie die zweite Ehe mit Valentin Polly einging. Wie die Taufbücher zeigen, blieb die Ehe von Valentin und Anna aber kinderlos. Ungeklärt bleibt bisher auch, wie und warum beide nach Mannersdorf gelangten.

Valentins Bruder Johann Polyy, der ebenso Steinmetzgeselle war, dürfte ebenso nach Mannersdorf gekommen sein. Er nahm 1839 Theresia Hörtrich zur Frau. Der älteste Sohn des Paares wurde, nach dem Onkel, Valentin getauft und sollte später das Steinmetzhandwerk der Familie fortführen. Valentin Polly wurde nicht nur Taufparte seines gleichnamigen Neffen, sondern auch von von Valentin Santruschitz. Er war der 1844 gebore älteste Sohn des Steinmetzkollegen und späteren Bürgermeisters Stefan Santruschitz. Auch Valentin und Johann Polys jüngerer Bruder Wenzel kam letztlich nach Mannersdorf. Er war ebenso als Steinmetzgeselle tätig und sollte 1866 mit nur 49 Jahren als Junggeselle versterben.

Als das offenbar kinderlose Ehepaar Anna und Valentin Polly 1847 das nach ihnen benannte Kreuz stiftete, waren beide bald 20 Jahre verheiratet, Anna war bereits über 60 Jahre alt. Es scheint so, als wollte das Paar ein Monument setzen, dass an beide erinnern sollte. Entsprechend groß und gut lesbar fiel die Widmungsinschrift am Sockel des Kreuzes aus. Interessant erscheint dabei, dass auch der damals amtierende Herrschaftsverwalter und der Marktrichter genannt wurden. Bedenkt man aber, dass das Kreuz der Gemeinde gewidmet wurde, so dürfte das Ehepaar Polly dieses symbolisch den beiden höchsten Vertretern des Marktes und der Herrschaft zur künftigen Obsorge überantwortet haben.

Kaum ein Jahr nach der Errichtung des Kreuzes wurde Valentin Polly einer der Mannersdorfer Akteure während der Revolution von 1848. Eine in ganz Europa aufkommende, vom Bürgertum und von Studenten getragene politische Bewegung erfasste im März 1848 auch das Kaisertum Österreich. Die Revolutionären setzten sich für mehr Rechte ein und opponierten gegen das System Metternichs und den vorherrschenden Absolutismus. Um in dieser aufgeheizten Stimmung für Ordnung zu sorgen, wurden von der Bevölkerung in vielen Städten und Märkten sog. „Nationalgarden“ gebildet. Steinmetzmeister Valentin Polly wurde zum Kommandanten der Mannersdorfer Nationalgarde, die auch von Fabriksbesitzer Carl von Cornides unterstützt wurde.

Wenige Jahre später verstarb Anna Polly 1853 im Alter von 70 Jahren. Ihrem jüngeren Gatten waren hingegen noch zwei weitere Jahrzehnte beschieden. Der Steinmetzmeister und Hauseigentümer Valentin Polly verstarb am 1. September 1874 im Alter von 73 Jahren und wurde zwei Tage später am Mannersdorfer Friedhof beigesetzt.

Im Zuge der Verbauung der nördlichen Seite der Sommereinerstraße unter Baumeister Richard Peer entstand für die Familie Schnitzer ein zweigeschossiges Eckhaus zur Ziegelofengasse. Da das Pollykreuz ursprünglich näher zum „Schnitzerhaus“ stand, erhielt es selbst die Zweitbezeichnung „Schnitzerkreuz“. Im Jahr 1927 erschütterte das sog. Schwadorfer Erdbeben unsere ganze Region. Auch in Mannersdorf kam es zu zahlreichen Schäden. Das Pollykreuz war offenbar nicht gut fundamentiert und fiel durch die Erdstöße um, dabei wurde das Kruzifix sehr stark beschädigt. Erst 1936 wurde eine Renovierung des Pollykreuzes im Auftrag der Marktgemeinde angegangen. Der Mannersdorfer Bildhauer Martin Hof sen. fertigte dabei eine Kopie des Kruzifixes aus Kunststein an, da das alte Original aus Kalksandstein nicht mehr zu retten war. Der alte Sockel wurde hingegen beibehalten und um 90 Grad gedreht, sodass an der neuen Vorderseite eine Inschrift zur Renovierung angebracht werden konnte. Das am heutigen Standort neu aufgestellte Pollykreuz konnte am 5. Mai 1936 gesegnet werden.

 

Wie Heribert Schutzbier festhielt, fehlte dem Korpus bis in die 1960er-Jahre das linke Bein. Dieses soll der Überlieferung nach während des Zweiten Weltkrieges durch einen Bombensplitter abgerissen worden sein. Später wurde das fehlende Bein wieder ergänzt. Heribert Schutzbier berichtete im Marterlbuch zudem, dass beim Wasserleitungsbau 1953 einige Meter vor dem Kreuz menschliche Knochen mit Kalkbestreuung gefunden wurden. Dabei könnte es sich um Beisetzungen einer alten Seuchengrube gehandelt haben. Tatsächlich wurden Seuchenopfer (Pest- und Choleratote) in Sammelgräbern außerhalb der Orte bestattet und im Kalk bestreut. Gut möglich, dass das Vorgängermarterl des Pollykreuzes dieses Sammelgrab bezeichnete, wie bereits Heribert Schutzbier annahm.

Foto 1: Das Pollykreuz heute, leider stark von der Witterung mitgenommen (Michael Schiebinger)

Foto 2: Vor dem Sommereiner Tor in der Mitte das Vorgängermarterl des Pollykreuzes und rechts davon die Michaelssäule, 1837 (Perspektivkarte von Franz X. Schweickhardt)

Foto 3: Die interessante Widmungsinschrift am Sockel (Michael Schiebinger)

Foto 4: Valentin Polly als Kommandant der Mannersdorfer Nationalgarde im Jahr 1848 (Wiener Zeitung vom 25. Juni 1848)

Foto 5: Das Pollykreuz nach der Renovierung von 1936 (Stadtmuseum Mannersdorf/Karl Trenker)

Foto 6: Das Pollykreuz als idyllisches Postkartenmotiv (Stadtmuseum Mannersdorf/Karl Trenker)