Angeregt durch Johann Amsis und dessen Kindheits- und Jugenderinnerungen an das Markttreiben, widmet sich Michael Schiebinger heute dem traditionellen Mannersdorfer Martinimarkt.
Die Mannersdorfer Pfarrkirche ist, wie wir alle wissen, dem hl. Martin geweiht. Nach alter Tradition fanden zu den Kirchweihfesten immer auch besondere Vergnügungen statt. So ist also aus dem Fest des Kirchenpatrons in Mannersdorf der Martinimarkt entstanden. Früher durften die Orte aber nicht ohne weiters Märkte abhalten, da dies an eine rechtliche Bewilligung geknüpft war, das Marktrecht. Mannersdorf muss sein Marktrecht, ob verliehen oder ersessen, vor 1500 erlangt haben, da in diesem Jahr der Ort bereits urkundlich als Markt bezeichnet wurde. Das Marktrecht war früher also nicht nur ein schöner Titel für eine Gemeinde, sondern beinhaltete immer gewisse Privilegien, die der Landesherr den Bewohnern des Marktfleckens zukommen ließ und die mit Einnahmen verbunden waren. Da sich an den Markttagen viele Menschen, auch von auswärts, auf den Straßen des Marktes tummelten und der Alkohol das seinige beitrug, galten wesentlich strengere Regeln und Strafen, wie ein Beispiel zeigt. In der Nacht zum 11. November 1738 trieben sich Philipp Klein und fünf weitere Kumpanen in Mannersdorf herum, warfen die Kaufmannsstände und anderes um. Sie wurden ihrer Tat überführt und zwei Wochen später vom Herrschaftsgericht zu Prügelstrafen verurteilt.
In den 1820er-Jahren wurde Mannersdorf nochmals offiziell bestätigt, zwei Jahrmärkte abhalten zu dürfen. Ein Markt fand am Philippi-und-Jakobi-Tag statt, das war ursprünglich der 1. Mai, nach dem dieser Tag dem hl. Josef gewidmet wurde, bekamen die beiden Apostel später den 3. Mai als Gedenktag. Der erste Termin hat also historisch nichts mit dem Staats- oder Maifeiertag zu tun, der ja noch relativ jung ist. Der zweite Markt wurde zu Martini, dem Kirchweihfest am 11. November, angesetzt.
Wie auch im benachbarten Burgenland und in vielen niederösterreichischen Gemeinden üblich, gehen traditionell die Kindergartenkinder am 11. November, dem Martinstag, mit ihren Laternen durch den Ort und anschließend in die Kirche, um das Martinsfest zu feiern. In Mannersdorf wird an diesem Tag, seit vielen Jahrzehnten der traditionelle Martinimarkt abgehalten. An diesem Tag kommen die Marktfahrer von nah und fern nach Mannersdorf, um ihre Stände aufzubauen und ihre Waren feilzubieten. Dazu wird frühmorgens die Hauptstraße zwischen Ampelkreuzung und Kreisverkehr gesperrt, um Platz für das Markttreiben und die Stände zu schaffen.
Früher war es hingegen nicht so einfach wie heute, wo bei den mobilen Verkaufsständen der Deckel aufgeklappt wird und die Waren wie im Kaufhaus feinst säuberlich präsentiert werden. Vor Jahrzehnten war es so, dass die Stände aus einem Holzgerüst bestanden und bestenfalls mit einer Plane abgedeckt waren. Sehr viele Marktfahrer schlichteten ihre Waren einfach auf der Straße auf einer Decke oder einer Plane auf, Geschirr, Metallwaren und was auch immer. Auf den Ständen der Textilhändler hingen unzählige Kleider, Kleiderschürzen, Hosen, Bettwäsche und Handtücher.
Die Leute warteten in den Nachkriegsjahren sehnsüchtig darauf, dass endlich Markttag war, um günstig Haushaltsgeräte und Kleidung zu kaufen. Früher konnte man am Markt um einiges günstiger einzukaufen als in den örtlichen Geschäften. Die Marktfahrer reihten sich Stand an Stand, vom Alten Rathaus bis zur Apotheke links und rechts der Hauptstraße. Die Mannersdorfer und die Bewohner der umliegenden Ortschaften nutzten den Markt weidlich aus, dichtgedrängt ging es von Stand zu Stand um alles zu begutachten. Wenn man bspw. am Markt eine Hose gekauft hatte und man erst einige Tage später darauf kam, dass sie nicht passte, dann war das kein Problem, die Standler kamen ja im Mai wieder und tauschten die Hose, natürlich ungetragen, gegen eine passende Größe um.
So manches Kleidungsstück, das heute nur mehr die wenigsten kennen, gab es dort. Berühmt berüchtigt war da die „Pumpanölla“, eine wahre Liebestöterin, eine fast knielange wärmende Damenunterhose mit wenig schmeichelhafter Formgebung. Oder kennt noch wer ein „Kompenesch“ (eigentlich „Kombinege“), ein spitzenbesetztes Unterkleid, damit der Papa auch wieder Freude an der Mama hatte. Aber auch die Herren kamen nicht zu kurz, eine blaue Ötscher-Montur, einen Taschenfeitel, oder ein paar Gummistiefel. Die Firma Widl, sie kam ursprünglich aus Schwechat, hat sich in den 1970er-jahren in Wasenbruck angesiedelt und dort ein Haus gekauft. Ihr Spezialgebiet waren Socken aller Art, man konnte sie bei fast jedem Jahrmarkt in Österreich finden, so auch in Mannersdorf.
Zum Martinimarkt durfte die Kinder schon um 11 Uhr von der Schule weggehen, um den Markt zu besuchen und das eine oder andere Gustostück zu kaufen. Da fällt vielen die Firma Walter Wolfgang ein, die ursprünglich aus Mannersdorf stammte und in den 1960er-Jahren ein Kaffeehaus und eine Zuckerbäckerei in Wasenbruck betrieb. Die Wolfgangs waren auf allen Jahrmärkten der Gegend zu finden, berühmt für den Leithaberger Lebkuchen, die Schaumrollen und die Kokosstangerl. Der Stand der Firma Wolfgang war natürlich ein besonderer Anziehungspunkt für die Kinder. Noch heute schwärmen viele von den Schaumheferln, dem Türkischen Honig und den Kokoskuppeln. Am Stand von Walter Wolfgang, gab es auch immer die berühmten Lebkuchenherzen mit einem Spruch darauf zum Umhängen. In späteren Jahren, kamen die ersten Langos auf den Markt, ab da durften diese auf einem Marktbesuch bei den Kindern und Erwachsenen nicht mehr fehlen. Zu Martini gab es auch gebratene Maroni und Erdäpfelscheiben, die angeboten wurden.
Auch ein bisschen „Prater-Atmosphäre“ durfte am Markttag nicht fehlen, eine Schiffsschaukel und ein „Ringlspiel“ wurden auch immer aufgestellt. Ob Sonne, Wind, Regen, Schnee, jedem Wetter trotzend hielten die Standler und Besucher den ganzen Tag durch, machten ihre Besorgungen und genossen die eine oder andere Leckerei. Am Markttag kam auch die Mannersdorfer Gastronomie zu etwas Umsatz, da die Besucher und Standler auch in den Lokalen einkehrten. Vieles davon hat sich noch gehalten, doch die Standler vom alten Schlag sind längst verschwunden, auch die Anzahl der Stände geht kontinuierlich zurück. Waren die Leute früher auf den Marktbesuch angewiesen, können sie heute nahezu alles in den Geschäften oder im Onlinehandel erwerben – dort sucht man halt vergeblich nach der besonderen Stimmung, die einst auf den Jahrmärkten herrschte.
Foto 1-3: Marktgeschehen auf der Hauptstraße beim Bachgassl, um 1900 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 4-5: Martinimarkt 2001 (Karl Trenker)
Foto 6-7: Martinimarkt 2016 (Hans Amelin)