Heute ist es selbstverständlich, dass wir, wenn wir den Wasserhahn aufdrehen, sofort fließendes Wasser verfügbar haben. Vor wenigen Jahrzehnten war man auch in Mannersdorf von dieser Annehmlichkeit noch weit entfernt, wie Michael Schiebinger diesmal berichtet.
Viele ältere Mannersdorfer können sich noch gut an die Zeit erinnern, wo man beim Brunnen das Wasser holen musste, da viele Häuser noch keinen eigenen Wasseranschluss besaßen. Über Jahrhunderte hinweg erfolgte auch in Mannersdorf die Wasserversorgung mittels Brunnen. Solche gab und gibt es in einigen Häusern, meist waren sie im Hof freistehend platziert oder auch in den Gebäudeverband integriert. Manche waren Schöpfbrunnen aus Gusseisen, andere waren wiederum Ziehbrunnen mit Kübeln. Einige dieser Brunnen haben sich noch erhalten, andere wurden meist aus Kurzsichtigkeit zugeschüttet und ihr Verlust bald wieder bereut. Die Brunnenschächte sind etliche Meter tief und meist sehr sauber mit gehauenen Steinen gemauert. Neben den eigentlichen Hausbrunnen bestanden auch solche für Hausgemeinschaften, wie etwa im Innenhof des Perlmooserhofes. Auf den einzelnen Stockwerken des ehem. Badegebäudes gab es zudem die aus Wien bekannten Bassena. Die Wandbecken hatten auch eine sozial-kommunikative Funktion, konnte man doch dort der Nachbarin den neusten Tratsch erzählen – wobei die Rahmenhandlung der Berichte gerne individuell „ausgeschmückt“ wurde.
Eine besondere Form der Wasserentnahme stellte der artesische Brunnen hinter dem Mannersdorfer Barockschloss dar. Der Direktor der Habsburgischen Familiengüterdirektion Thaddäus Krzisch beauftragte den Mannersdorfer Verwalter Martin Treitl 1837 im Bereich des Meierhofes Bohrarbeiten durchführen zu lassen. Ziel war es, mittels eines artesischen Brunnens die Wasserversorgung im Schloss und in den Wirtschaftsgebäuden sicher zu stellen. Mit hohem Aufwand gelang es schließlich die Steinschicht im Boden zu durchbohren. Das kalkhaltige Wasser sprudelte tatsächlich aus dem Untergrund und wurde zusehends klarer. Gebrannte Tonrohre aus Vösendorf (Tonwarenerzeugung um den Wienerberg) sorgten dafür, dass das Wasser vom Brunnen zu den Stallungen, Kalkgruben und in das Schloss geleitet werden konnte.
Die Wasserversorgung war aber durch die privaten und halböffentlichen Brunnen selbst nicht abgedeckt, denn nicht jedes Haus hatte seinen eigenen Wasserzugang. Deshalb bestanden in Mannersdorf auch zentral situierte öffentliche Brunnen, bei denen die Gemeindebürger ihr Wasser beziehen konnten. Solche Brunnen gab es u.a. in der Unteren und Oberen Kirchengasse, in der Jägerzeile, auf der Halterzeile, in der Neustiftgasse, in der Tattendorfgasse, am Brunnbergl und am Friedhof. Der Brunnen am Friedhof erklärt sich von selbst, immerhin bestand ja der Bedarf zum Gießen der Grabbepflanzungen.
In der Unteren Kirchengasse nahe an der Hauptstraße befand sich der Eberle-Brunnen. Dieser bestand aus einer an das dortige Haus angebauten Brunnenstube. Das Häuschen war mit einem Rundbogen geöffnet, während das Wasser mit einem Kübel aus dem Brunnenschacht heraufgezogen werden musste. Ab den 1920er-Jahren half dann eine eiserne Pumpe und erleichterte das mühsame Wasserholen. In den 1950er-Jahren verschwand der Brunnen dann nach dem Wasserleitungsbau. In jüngerer Zeit wurde das Brunnenhäuschen rekonstruiert und erinnert so wieder an die alte Zeit des Wasserschöpfens.
Der Brunnen auf der Halterzeile ist auf alten Fotos erkennbar, er stand in der Mitte des Angers im oberen Drittel. Er war ein einfacher Schöpfbrunnen mit einem Wassertrog, war also nicht weiter vom Wetter geschützt. Der Brunnen in der Jägerzeile stand auf der Nordseite in der Nähe des Kindergartens. Er war wohl der eleganteste Brunnen Mannersdorfs, denn der gusseiserne Schöpfbrunnen war mit einem oktogonalen Holzpavillon überbaut. Dieser wies Detailformen der Jahrhundertwende und ein schön abgeschlossenes Dach auf. Er durfte noch bis in die späten 1950er-Jahre seinen Dienst versehen, ehe auch er verschwand. In der Mitte der Neustiftgasse gab es wiederum eine andere interessante Variante des Schöpfbrunnens. Hier wurde kein Hebel benutzt, sondern ein großes Rad mit Kurbel, um das Wasser heraufzupumpen. Das Brunnbergl im Tattendorf erhielt seinen Namen von der dort einst bestehenden Wasserentnahmestelle. 2008 wurde dann ein schöner, künstlerisch aufwendiger gestalteter Brunnen am Bergl eröffnet. Eine weitere, besondere Wasserentnahmestelle stand am Mühlbach beim Schwabenhof. Dort befand sich ein gemauertes Häuschen mit Auslegearm, so konnte der gemeindeeigene „Sprengwagen“ von oben befüllt werden. Der pferdegezogene Wagen diente in der Zwischenkriegszeit zum „Besprengen“ der noch größtenteils unbefestigten Straßen, um die dortige Staubentwicklung in der Trockenzeit zu minimieren.
Die Mannersdorfer Brunnen entsprachen aber letztlich keineswegs den Hygienestandards heutiger Tage, das Wasser führte vielfach zu Krankheiten. In der Trockenzeit standen viele Brunnen zudem ohne Wasser da, auch die verstärkt eingesetzten elektrischen Pumpen konnten da nicht helfen. Als 1928 gehäuft Typhusfälle auftraten, wurde der Wunsch nach einem modernen Wasserleitungssystem immer lauter – sogar ein Wünschelrutengänger wurde zur Erkundung von Quellwasser engagiert und erste Vorarbeiten wurden eingeleitet. In der NS-Zeit wurde dann am Aufbau eines Leitungsnetzes in Mannersdorf geplant, in Wasenbruck hatte die Fa. Hutter und Schrantz zudem 1938-40 eine eigene Wasserleitung herstellen lassen. In der Nachkriegszeit wurde dann in Mannersdorf tatsächlich mit dem Bau des Wasserleitungsnetzes und eines Pumpenhauses begonnen, 1954 konnte das Netz in Betrieb genommen werden – weitere Ausbauten folgten bis in die 1970er-Jahre. Seit 1961 ist Wasenbruck an das Mannersdorfer Leitungsnetz angebunden, während Sandberg seit 1965 von Götzendorf aus versorgt wird. Mit dem Wasserleitungsnetz endete nun auch das Zeitalter der öffentlichen Brunnen, die schrittweise aus dem Ortsbild verschwanden.
Foto 1: Blick in die Untere Kirchengasse mit dem Eberle-Brunnen (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 2: Eberle-Brunnen, 1904 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 3: Brunnen in der Jägerzeile, 1943 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 4: Blick in die Jägerzeile mit dem Brunnenhäuschen an der rechten Straßenseite, 1950er-Jahre (Archiv Michael Schiebinger)
Foto 5: Artesischer Brunnen hinter dem Schloss (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 6: Blick in die Halterzeile mit dem Schöpfbrunnen (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 7: Brunnen in der Neustiftgasse, um 1960 (Archiv Karl Trenker)
Foto 8: Wasserentnahmestelle mit dem Sprengwagen, 1920er-Jahre (Tätigkeitsbericht des Gemeinderates 1929)