Nach dem ersten Teil des Online-Gschichtls zur Geschichte der Mannersdorfer Naturfreunde widmet sich Michael Schiebinger im zweiten Teil nun der Entwicklung in den 1930er-Jahren.

Gleich zu Beginn des Jahrzehnts zeigen die Tourenfotos des Jahres 1930, wie emanzipiert die Naturfreunde bereits damals waren, nahmen an den Wanderungen doch Frauen wie Männer gleichermaßen teil. Das Durchschnittsalter der Mitglieder war etwa um die 20 bis 40 Jahre, die Ortsgruppe war folglich ein Anziehungspunkt für die junge Generation, der die Touren eine willkommene Abwechslung boten. Im Juli 1930 begab sich die Gruppe um Josef Hochfilzer zur Silvretta, das bisher am weitest entfernt gelegene Ziel. 1931 zeigten sich die Mannersdorfer wieder an den von ihnen beliebten Orten, dem Wienerwald, der Rax, dem Schneeberg und dem Dachstein. Im August führte dann eine 12-Tages-Tour per Zug und Autobus in die Dolomiten, die Drei Zinnen sah man jedoch nur bei Schneefall. Auch „Autotouren“ fanden nun mit Herrn Karanitsch statt, so ging es nach Wien, wo im Kino Luis Trenkers Film „Die Berge in Flammen“ von 18 begeisterten Mannersdorfern gesehen wurde. In Koppers Saal wurde 1931 ein „Naturfreunde-Kränzchen“ geboten, zudem sich ein eigenes Festkomitee zusammengefunden hatte. Die Tour zu den Dolomiten wurde 1932 wiederholt, diesmal konnten die Drei Zinnen bei besserem Wetter bestaunt und die kleine Zinne bestiegen werden. Die Begeisterung für die Dolomiten führte dann 1933 zu einer weiteren Tour, diesmal wurde die große Zinne bezwungen.

Eine noch größere Herausforderung sollte noch im selben Jahr genommen werden – der berühmteste Berg der Schweiz, das Matterhorn, war das Ziel. Hochfilzer und ein langjähriger Tiroler Bergkamerad stiegen von Zermatt zur Hörnlihütte hoch, die als Zwischenhalt diente. Am nächsten Tag, zeitig in der Früh, brachen die beiden gemeinsam mit zwei Seilschaften, jeweils mit einem Bergführer, zum Gipfel auf. Am Nachmittag des Tages berichteten dann Augenzeugen vom Absturz einer der Seilschaften und man war sofort überzeugt, dass die Opfer nur die beiden Österreicher sein konnten. Ein Trugschluss wie sich später zeigen sollte, denn Hochfilzer und sein Kamerad hatte das Schicksal nicht erwischt, sie schafften es heil ans Ziel. Als sie am späten Abend, nach gut 18 Stunden der Strapazen, wieder zurück zur Hörnlihütte kamen, wollten das viele nicht wahrhaben, waren sie doch sicher vom Tod der beiden ausgegangen. Eine abenteuerliche Tour und eine schier unglaubliche Leistung der beiden Österreicher!

Im Tourenbuch der Naturfreunde enden die Einträge im Dezember 1933, nicht von ungefähr, denn die politischen Spannungen in Österreich erfassten auch Mannersdorf. Im Zuge der Errichtung des autoritären Ständestaates wurde in Österreich nämlich nicht nur die Sozialdemokratische Partei verboten, sondern auch alle mit ihr verbundenen Organisationen. 1934 bedeutete vorerst das Aus der Mannersdorfer Naturfreunde nach elf erfolgreichen Anfangsjahren. Trotz des politisch-ideologisch motivierten Ende des Vereins und seiner organisatorischen Strukturen, dürften die führenden Vertreter und Bergenthusiasten auch weiterhin privat tätig geblieben sein. Über die weiteren Jahre fehlen aber vorerst nähere Informationen. Die natur- und bergbegeisterten Mannersdorfer werden aber wohl bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges die eine oder andere Tour absolviert haben. Danach waren nicht nur beliebte Ziele nicht mehr erreichbar, viele der einstigen Naturfreundemitglieder wurden letztlich auch zum Kriegsdienst eingezogen – so auch Josef Hochfilzer.