Im heurigen Jahr wird eine Mannersdorfer Institution 70 Jahre alt, die weithin bekannte „Schiwiese“ der Naturfreunde am Scheiterberg. Immerhin 20 Jahre zählt zudem die am Fuß der Schiwiese gelegene „neue“ Hochfilzerhütte. Als kleine Festgabe möchte Michael Schiebinger die lange Tradition und Geschichte der Mannersdorfer Naturfreunde in vier Teilen beleuchten. Er dankt Obmann Karl Hauser, Andreas Karpf, Grete und Erich Korn, Karl Wuketich sowie Christl und Hans Amelin für die Zurverfügungstellung von Originaldokumenten, mündlichen Überlieferungen und Fotos.
Die Österreichischen Naturfreunde wurden vor 125 Jahren, 1895, von prominenten Sozialdemokraten als Touristenverein gegründet, um den Arbeiterinnen und Arbeitern erholsame Freizeitangebote jenseits des tristen Alltags bieten zu können. Am Beginn der Entwicklung in Mannersdorf selbst stand 1923 die Gründung einer eigenen Ortsgruppe. In der noch jungen Ersten Republik konnte sich die Sozialdemokratie als stärkste politische Partei in der damaligen Marktgemeinde etablieren – im „Roten Mannersdorf“ entstanden daher auch einige Vorfeldorganisationen, wie eben die Naturfreunde-Ortsgruppe. Erster Obmann des Vereins wurde Josef Hochfilzer (1903-1985), der den Naturfreunden über mehrere Jahrzehnte vorstehen sollte. In der Pionierphase stand die Errichtung und Markierung von Wanderwegen im Leithagebirge im Fokus der Vereinsarbeit.
Zur Dokumentation der Vereinsaktivitäten wurde im März 1925 ein eigenes Tourenbuch angelegt, das heute ein rares historisches Dokument darstellt und über die weitere Entwicklung Auskunft gibt. Bereits im Gründungsjahr 1923 unternahmen die Mitglieder der Ortsgruppe einige Sommertouren, so auf den Anninger bei Mödling, den Urlaubsstein in Salzburg und den Sonnwendstein. Am 30. September 1923 führte der „Gauausflug“ mit gut 600 Teilnehmern zur Kaisereiche, ein Zeichen dafür, dass die Ortsgruppe innerhalb der Organisation sehr rasch an Reputation gewonnen hatte. 1924 waren einzelne Teilnehmer in Purbach oder am Schneeberg unterwegs, die Urlaubstour führte hingegen auf den Dachstein. Im Februar 1925 machten sich 20 Teilnehmer nach Breitenbrunn auf, wo sie mit der Witterung und einem Schneegestöber zu kämpfen hatten, ehe sie sich in einem Weinkeller laben konnten. Im März 1925 führte Josef Hochfilzer eine Gruppe zu einer Rundwanderung nach Eisenstadt, ein Foto zeigt die Teilnehmer bei der Franz-Josefs-Warte (Kaisereiche) – alle waren sehr elegant gekleidet, die Damen zeittypisch mit Hüten. 1925 wurden auch die Ruine Scharfeneck und der letzte Steinbruch von Sommerein besucht. Ein Sonderzug brachte die Mannersdorfer Naturfreunde sogar nach Berchtesgaden, wo der Königssee erwandert wurde, ehe dem Salzbergwerk bei Hallein ein Besuch abgestattet wurde. Weitere „Tagespartien“ wurden 1925 zu lokalen Zielen im benachbarten Burgenland unternommen, als „Führer“ fungierten Anton Pitschmann und Karl Trenker. Im Jahr 1926 kam es dann zu einer Ostertour auf den Schneeberg und mehreren „Nachmittagstouren“ nach Sommerein und in die Wüste. Im Folgejahr wurde wieder auf den Schneeberg gewandert, ehe im August eine Drei-Tages-Tour zum Großglockner führte. 1927 fand auch ein Naturfreundetreffen mit Vertretern aus der Region in Mannersdorf statt. Die Wanderziele wurden nun auch vielfältiger, so wurde die Rax zweimal erklommen oder die Wienerwaldgegend erkundet. 1928 fand, neben den obligatorischen Besuchen am Schneeberg und in Purbach, auch eine Zugreise nach Brünn statt. Zu Pfingsten ging es in das Ötschergebiet, die Ausflüge und Touren wurden dabei stets fotografisch dokumentiert – eine Besonderheit, war das Fotografieren doch damals noch ein teures Hobby weniger Enthusiasten. Die Urlaubstour führte 1928 mit Josef Hochfilzer zum Sonnblick und zum Großglockner, im Gepäck wieder die Fotokamera. Das Tourenbuch vermerkt zudem Josef Hochfilzers Besuch eines Ausbildungskurses zum Bergsteigen mit Gesteinskunde, Technik, Gefahrenkunde, Gesundheitslehre und Kartenlesen. Die Osterpartie 1929 ging auf die Rax, wo die Teilnehmer mit einem starken Schneesturm zu kämpfen hatten. Zu Pfingsten kam man wiederum mit der Mariazellerbahn in das Ötschergebiet und im Sommer führten mehrere Touren in das Gesäuse und in die Hohen Tauern. Zu Weihnachten 1929 fuhr man zum Schneeberg, wo die Naturfreunde-Ortsgruppe ihre erste „Skipartie“ absolvierte.
Die ersten Jahre der Mannersdorfer Naturfreunde waren also erfolgreich und ereignisreich verlaufen, das nächste Mal blicken wir dann auf die Entwicklung in den 1930er-Jahren.
Foto 1: Obmann Josef Hochfilzer (1903-1985), 1925 (Archiv Hans Amelin)
Foto 2: Titelblatt des Tourenbuchs der Naturfreunde Mannersdorf, 1925 (Tourenbuch der Naturfreunde Mannersdorf)
Foto 3: Ausflug nach Kaisersteinbruch, 1925 (Tourenbuch der Naturfreunde Mannersdorf)
Foto 4: Ausflug zur Ruine Scharfeneck, 1925 (Tourenbuch der Naturfreunde Mannersdorf)
Foto 5: Kletterpartie, 1929 (Tourenbuch der Naturfreunde Mannersdorf)
Foto 6: Am Pasterzengletscher, 1928 (Tourenbuch der Naturfreunde Mannersdorf)
Foto 7: Am Gipfel des Großglockners, 1928 (Tourenbuch der Naturfreunde Mannersdorf)
Foto 8: Auf der Rax, 1927 (Tourenbuch der Naturfreunde Mannersdorf)