Online-Gschichtl Nr. 53

Pfarrer Wilhelm Baukhage

Die Serie der Lebensporträts der Mannersdorfer Pfarrer wird nun abermals von Michael Schiebinger fortgesetzt. Nach Josef Kopetzky ist nun Pfarrer Wilhelm Baukhage an der Reihe. Waren die Biografien der bisherigen Pfarrherren sehr gut recherchierbar, so bedurfte es diesmal einiger Zufälle, um das Leben und Wirken fassbar zu machen.

 

Wilhelm Baukhage wurde am 16. Juni 1868 in Iserlohn im westfälischen Sauerland geboren, er kam um 9 Uhr abends zur Welt, sein Zwillingsbruder Ernst eine Stunde später. Wilhelm und Ernst waren die Kinder des Fabriksarbeiters August Baukhage und seiner Gattin Martha. Über Wilhelms Kindheit und Schulzeit ist bisher nichts bekannt, er wird sie aber wohl in Iserlohn verbracht haben, das sich damals zu einer Industriestadt am Rande des Ruhrgebietes entwickelte. Bemerkenswert erscheint, dass Baukhage als Arbeitersohn eine geistliche Laufbahn einschlug. Wo er sein Theologiestudium absolviert hat, ist ungewiss, in den Listen des Priesterseminars seiner Heimatdiözese Paderborn scheint er nicht auf.

1890 wurde er dann zum Priester geweiht und war zunächst als „apostolischer Missionar“ in Indien tätig! Am Subkontinent dürfte er nur bis um 1900 gewirkt haben, da er danach bereits Funktionen in der Erzdiözese Wien übernahm. Wie und warum der gebürtige Sauerländer nach Wien kam, ist dabei auch noch ungeklärt.

1903 sollte Baukhage Kooperator in Staatz im Weinviertel werden und dort für kurze Zeit wirken. 1905 war für Baukhage dann ein ereignisreiches Jahr, zunächst war er Kooperator in Bad Pirawarth, dann in Mödling und abschließend in Wiener Neudorf. Im April 1910 wurde Baukhage Provisor der Pfarre Wiener Neudorf, er sollte also, wie die Funktionsbezeichnung bereits verrät, als provisorischer Leiter fungieren. Als Kooperator hätte er gute Aussichten gehabt, dauerhaft die Pfarrstelle zu übernehmen, wäre er nicht im August 1910 nach Schönau an der Triesting geschickt worden. Bis November 1910 wirkte Baukhage dort zunächst ebenso als Provisor, danach wurde er dann offiziell zum dortigen Pfarrer ernannt. Im Jahr 1913 wurde Baukhage zusätzlich zum Provisor der Nachbarpfarre Günselsdorf ernannt, nachdem die dortige Pfarrstelle vakant geworden war.

Nach elf Jahren als Pfarrer in Mannersdorf wechselte Josef Kopetzky 1916 nach Wien. Bei der Bevölkerung war er besonders beliebt und angesehen, daher wurde sein Weggang mit viel Wehmut betrachtet. Am 1. August 1916 wurde Kopetzky als neuer Pfarrer in Rudolfsheim investiert und die Pfarrstelle in Mannersdorf war nun frei geworden. Pfarrer Wilhelm Baukhage aus Schönau bewarb sich nun um diese Stelle, was ihm zum erhofften Wechsel bewog, bleibt fraglich. Jedenfalls wurde er tatsächlich zum Pfarrer von Mannersdorf bestellt und am 1. Dezember 1916 in seinem neuen Amt investiert.

Die Amtszeit von Pfarrer Wilhelm Baukhage fiel in die letzten Kriegsjahre und in die Anfangsjahre der Ersten Republik. In Mannersdorf waren die 1920er-Jahre vom Aufstieg der Sozialdemokratie geprägt, deren Vertreter entweder in Opposition zur Katholischen Kirche standen oder zumindest keine enge Bindung zu ihr pflegten. Wie sich das Verhältnis zwischen der Gemeindeführung und Pfarrer Baukhage gestaltete, ist aus den bisherigen Quellen nicht überliefert. Seine Herkunft als Arbeiterkind einer Industriestadt dürfte aber durchaus hilfreich gewesen sein.

Im Jahr 1919 brachte Baukhage im Selbstverlag eine eigene Publikation über seine Missionstätigkeit heraus. Unter dem Titel „Indien. Das Land und seine Bewohner“ gab der Geistliche den Lesern einen Überblick über den Subkontinent. Baukhage bewunderte darin sichtlich das Land und seine Menschen. Sein Blick war aber der des Europäers und Katholiken, der als Kind seiner Zeit die Inder zum christlichen Glauben bekehren wollte.

Zurück nach Mannersdorf, hier konnte Pfarrer Baukhage im August 1920 die Weihe der neu angeschafften Stahlglocken der Fa. Böhler aus Kapfenberg vornehmen. Im Juni 1922 weihte er dann die renovierte und mit einer neuen Gnadenstuhl-Skulptur von Martin Hof sen. versehene Dreifaltigkeitssäule vor der Mannersdorfer Pfarrkirche.1923 hielt Pfarrer Baukhage dann im Saal des Gasthauses Hölzl in Götzendorf einen Vortrag zu seiner Missionarstätigkeit in Indien, wie der Brucker Grenzbote berichtete. Der Redakteur empfahl den Lesern auch die Publikation von Baukhage, die sogar per Inserat in der „Reichspost“ beworben wurde.

Eine der wichtigsten Projekte in der Amtszeit von Pfarrer Baukhage in Mannersdorf wurde 1923 die Übertragung des bisherigen Pfarrhofes an die Marktgemeinde, die das Gebäude zu ihrem neuen Rathaus umgestalten sollte. Zeitgleich entstand dahinter in der Unteren Kirchengasse ein Pfarrhofneubau der bedeutenden Wiener Architekten Alfons Hetmanek und Franz Kaym. Das Gebäude wurde bewusst in die abfallende Gartenfläche eingebunden, von der Straße abgerückt und durch eine Mauer abgeschlossen. Wilhelm Baukhage war der erste Pfarrherr, der in den vollendeten Neubau einziehen konnte, wie weit er auch selbst auf die Gestaltung und Planung Einfluss genommen hat, ist nicht überliefert.

 

Im Oktober 1927 kam es zum folgenschweren Erdbeben von Schwadorf, das auch in Mannersdorf zahlreiche Gebäude beschädigte. Unter den Schadensobjekten war auch die Pfarrkirche, deren Turm sich handbreit vom Langhaus gelöst hatte – erst 1933 sollte dieser Schaden behoben werden. 1930 feierte Wilhelm Baukhage dann sein 40-jähriges Priesterjubiläum. Damals war er bereits pensionierter Pfarrer, krankheitsbedingt war er im Oktober 1929 in den Ruhestand getreten. Mannersdorf und Schönau waren so Baukhages längste Wirkungsstätten gewesen: Über seine letzten Jahre und seinen Tod fehlen vorerst nähere Informationen. Da Baukhage gesundheitlich angeschlagen und 1930 bereits 62 Jahre alt war, dürfte er wohl vor 1950 verstorben sein.


Foto 1: Pfarrer Wilhelm Baukhage, 1919 (Indien. Das Land und seine Bewohner. Wien 1919)

Foto 2: Die erste Auflage von Pfarrer Baukhages Publikation (Indien. Das Land und seine Bewohner. Wien 1919)

Foto 3: Werbung für Pfarrer Baukhages Publikation (Reichspost, 4. November 1919)

Foto 4: Glockenweihe in Mannersdorf, 1920 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 5: Der Neue Pfarrhof im Jahr 1925 (Österreichische Bau- und Werkkunst 1925)

Foto 6: Hand- und Unterschrift von Pfarrer Baukhage (Matricula, Pfarre Mannersdorf, Sterbebuch 1917-38)