Nachdem Michael Schiebinger bereits über Johann Glogowatz berichtet hat, widmet er sich diesmal einem weiteren Vertreter in der Reihe der Mannersdorfer Pfarrherren.
Pfarrer Ambros Zettl wirkte von 1840 bis zu seinem Tod 1876 ganze 36 Jahre in Mannersdorf, eine ungemein lange Amtszeit, in der wichtige Ereignisse und Veränderungen des 19. Jahrhunderts vor sich gingen. Ambros Ferdinand Zettl war noch ein Kind des 18. Jahrhunderts, er wurde am 6. Jänner 1796 in der königlich-böhmischen Bergstadt Berg(en)reichenstein/Kašperské Hory (Südwestböhmen) geboren. Sein Vater war der Bürger und Stadtkanzlist Karl Zet(t)l, seine Mutter hieß Maria Anna, wie das Taufbuch verrät. Zum Studium der Theologie kam Ambros, der neben Deutsch auch Tschechisch sprach, in die Haupt- und Residenzstadt Wien. Hier wurde er dann auch 1820 im Alter von 24 Jahren zum Priester geweiht. Seine erste Stelle als Geistlicher konnte er sodann in der Badener Stadtpfarre St. Stephan antreten. Der junge Kooperator eckte aber bald an, da er sich 1821 geweigert hatte, das Begräbnis eines Protestanten zu begleiten, so wie es in der Stadt bisher üblich war. Die Empörung in der Bevölkerung war so groß, dass das erzbischöfliche Konsistorium tätig wurde und Zettl rüffelte. Denn laut josephinischer Toleranzgesetzgebung von 1782 hatte ein katholischer Geistlicher das Begräbnis eines Protestanten zu begleiten, wenn dies so gewünscht wurde. Trotz des Vorkommnisses wurde Kooperator Zettl ein allgemein gutes Zeugnis ausgestellt, so sei er in seiner Tätigkeit sehr pflichtbewusst gewesen und habe einen tadellosen Lebenswandel geführt.
Im Juni 1827 war der Pfarrer von St. Anna in Baumgarten bei Wien (heute 14. Gemeindebezirk) verstorben. Wie noch heute üblich wurde auch damals die vakante Pfarrstelle ausgeschrieben. Neben Ambros Zettl bewarb sich auch noch der Kooperator von Laa an der Thaya für die Stelle. Das erzbischöfliche Konsistorium schlug der Regierung Zettl als den jüngeren und geeigneteren Kandidaten vor. Tatsächlich wurde Zettl die Pfarrstelle verliehen, sodass er im November 1827 als Lokalkaplan von Baumgarten „investiert“ wurde. Eine „Lokalkaplanei“ war ein Konstrukt der josephinischen Kirchenreform, sie war zwar faktisch eine Pfarre, besaß aber nicht die gleiche Rechtsstellung und die gleichen Finanzmittel. Das zeigte sich auch in Baumgarten, wo Ambros Zettl der Regierung jede kleinste Stiftung für das Gotteshaus genau belegen musste. Die immerwährende Suche nach Finanzmitteln für die arme Lokalkaplanei dürfte Zettl wohl dazu bewogen haben, nach einer besseren Stelle Ausschau zu halten.
1840 wurde die Pfarrstelle von Mannersdorf frei, da Pfarrer Josef Markus nach Orth an der Donau versetzt worden war. Die Stelle war, da sie unter kaiserlichem Patronat stand und überdies gut bestiftet war, zweifelsohne die richtige Wahl für Ambros Zettl. Am 9. September 1840 wurde der Geistliche mit der Leitung der Pfarre Mannersdorf betraut. Zettls Vorgänger hatte knapp zuvor die erste große Renovierung der Pfarrkirche in zum 200. Jubiläum des Kirchenbaues zum Abschluss gebracht. Um 1840, wohl bereits unter Ambros Zettl, entstand dann noch der Zubau der „Äußeren Sakristei“ zwischen der „Inneren Sakristei“ und der Heilig-Grab-Kapelle (alter Kirchturm).
Vom 17. auf den 18. Juli 1841 kam es dann zu einem Ortsbrand, bei dem auch der Pfarrhof beschädigt wurde. Zettl und sein Kooperator mussten fast ein Jahr lang in Privathäusern unterkommen, bis die Schäden behoben und der gleichzeitige Umbau des Pfarrhofes abgeschlossen waren.
1846 war Pfarrer Zettl wiederum um die Totenruhe am Friedhof besorgt, da ständig Gänse, Hühner, Schafe und sogar Kühe zwischen den Gräbern grasten! Auch in der Pfarrkirche sollten unter Zettl noch weitere Umgestaltungen vorgenommen werden. So wurden um 1870 die Kirchenbänke neu angeordnet oder das Heilige Grab neu gestaltet. Unter Pfarrer Zettl wurde aber auch die Renovierung des Turmes, dessen Neueindeckung und die Vergoldung des Turmkreuzes vorgenommen.
Auch sonst dürfte sich Zettl großer Beliebtheit erfreut haben, er wirkte in den letzten Jahren der alten Grundherrschaft und erlebte die Gründung der Gemeinde im Jahr 1850 hautnah mit, denn Hochwürden wurde in den Gemeindevorstand gewählt! Zettl war in einer Umbruchzeit tätig, die Industrialisierung erfasste schrittweise auch die Gegend von Mannersdorf und läutete den Wandel vom Bauerndorf zum Industrieort ein. Auch die Kirche hatte damals mit verschiedenen Strömungen im Inneren und politischen Angriffen von außen zu kämpfen. Das Erste Vatikanische Konzil von 1869/70 führte zum Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes und gipfelte in der Abspaltung der Altkatholischen Kirche.
Abseits der Bühne der Weltkirche konnte Pfarrer Zettl selbst die Vorzüge als Landgeistlicher nutzen, so besuchte er gerne seinen früheren Wirkungsort Baden für Kuraufenthalte. Zu seinem 50-jährigen Priesterjubiläum im Jahr 1870 wurde sein bisheriges Wirken in Mannersdorf feierlich gewürdigt. Aber auch von höchster Stelle wurde Zettl ausgezeichnet, denn Kaiser Franz Joseph I. verlieh dem Pfarrer seiner Patronatspfarre das goldene Verdienstkreuz mit der Krone.
Pfarrer Ambros Zettl war bis in das hohe Alter aktiv in Mannersdorf tätig, seine Handschrift in den Kirchenbüchern verrät aber, dass ihm seine gesundheitlichen Kräfte zusehends verließen. Am 15. Oktober 1876 um 8 Uhr abends verstarb Ambros Ferdinand Zettl im damals äußerst hohen Alter von 81 Jahren. Das Sterbebuch vermerkt einen plötzlichen Tod durch ein Lungenödem. Der verstorbene Geistliche wurde vom örtlichen Wundarzt beschaut und am 18. Oktober 1876 am Mannersdorfer Friedhof beigesetzt – leider konnte bisher kein Porträt von Zettl ausfindig gemacht werden.
Foto 1: Ansicht von Ambros Zettls Geburtsstadt Berg(en)reichenstein/Kašperské Hory (AKON/ÖNB, http://data.onb.ac.at/AKON/AK014_241)
Foto 2: Ambros Zettls erste eigene Pfarrstelle, Baumgarten bei Wien (heute 14. Gemeindebezirk) (Franz X. Schweickhardt, Perspectiv-Karte, 1837)
Foto 3: Pfarrkirche Mannersdorf im Biedermeier, noch ohne die unter Ambros Zettl um 1840 errichtete "Äußere Sakristei" (Franz X. Schweickhardt, Perspectiv-Karte, 1837)
Foto 4: Barocker Pfarrhof von Mannersdorf (heute Altes Rathaus), Wirkungsstätte und Sterbeort von Ambros Zettl (Archiv M. Schiebinger)
Foto 5: Ambros Zettls Unterschrift in den Kirchenbüchern (Matricula, Pfarre Mannersdorf, Sterbebuch, 1840)