Einst war Mannersdorf und das Herrschaftsgebiet vom Weinbau geprägt, doch wie stand es hier mit dem Biergenuss? Michael Schiebinger begibt sich heute auf die Spuren der Brauherren und Bierversilberer in Mannersdorf und Sommerein – er bedankt sich bei Ava Pelnöcker für wertvolle Hinweise.
Da das Gebiet der Herrschaft Mannersdorf-Scharfeneck einst vom Weinbau geprägt war, war der Rebensaft das in der Bevölkerung vorherrschende alkoholische Getränk. Die Qualität und die Genießbarkeit des hiesigen Weines waren aber aufgrund der Nordlage der Weingärten eher dürftig, so wurde vielfach auf den benachbarten ungarischen Wein zurückgegriffen. Aber auch das Bier stellte keine wirkliche Alternative dar, da der Gerstensaft im Herrschaftsgebiet nur bedingt gebraut wurde.
Ab 1565 ist in Sommerein ein herrschaftliches Brauhaus belegbar, dessen Produkte aber bemängelt wurden. „Die dortigen Untertanen haben viel Weingewächs und sind viel mehr zum Wein- als zum Biertrinken geneigt“, stellte bereits ein Bericht des 16. Jahrhunderts klar. Auch um 1700 stand es mit dem Brauwesen in der Herrschaft sehr schlecht, der Sommereiner Braumeister musste sich seine Sudpfanne sogar selbst herstellen, da offenbar keine brauchbaren Gerätschaften im Brauhaus vorhanden waren. Um 1720 ist Jacob Wall als Braumeister in Sommerein nachweisbar, der zuvor bereits in Seibersdorf tätig gewesen war. Einen anderen Braumeister, Remigius Heinrich, verschlug es aus Schwaben nach Sommerein, wo er mit 73 Jahren im 1753 verstarb. Heinrichs spätbarocker Grabstein mit dem Zunftzeichen der Bierbrauer (Malzschaufel und Bierschöpfer) befindet sich heute im Mannersdorfer Stadtmuseum. Das alte Sommereiner Brauhaus wurde 1783 bei der „Immobilienbereinigung“ unter Joseph II. veräußert. Damals bestand bereits ein neues Brauhaus, dort kam es dann 1786 auch zu einem tragischen Zwischenfall. Der 60-jährige Mathias Mayer war „in die Braupfann gefallen“ und auf diese ungewöhnliche Weise ums Leben gekommen. Das neue Brauhaus wurde dann bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts als solches weiterbetrieben. Nach dem Abriss des Gebäudes im 20. Jahrhundert erinnert heute in Sommerein nur noch die „Brauhausgasse“ an die einstige Produktionsstätte.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts dürfte sich in Mannersdorf und den Nachbarorten das Bier stärker durchgesetzt haben. Zum einen war der Weinanbau immer mehr zurückgegangen und besonders von der Reblaus heimgesucht worden. Zum anderen gewann damals das industrialisierte Brauwesen in der gesamten Monarchie an Bedeutung, etliche Brauereien waren zwischenzeitlich zu großen Unternehmen angewachsen, während die kleinen, lokalen Braustätten sukzessive ausstarben.
Eine der größten Brauereien Europas war im 19. Jahrhundert jene der Familie Dreher in Klein-Schwechat. Dort wurde im Biedermeier auf untergäriges Bier umgestellt und somit die Entwicklung des Lagerbieres in Österreich eingeleitet. Anton Dreher jun. (1849-1921), der den Aufstieg der Brauerei fortführte, hatte eine besondere Beziehung zu Mannersdorf. Alljährlich am Karfreitag unternahm der „Bierbaron“ mit seiner Familie eine „Wüstenfahrt“ in das ehem. Klosterareal von St. Anna, um hier ein reich gedecktes Picknick zu veranstalten, wie Albert Schatek berichtete. Neugierig sollen damals die Mannersdorfer an den Fenstern und an den Haustoren auf die Durchfahrt der eleganten Dreher'schen Wagen gewartet haben. Als erste kamen im Laufe des Vormittags einige Jagdwagen mit der Dienerschaft und wohlgefüllten Speisekörben und gegen Mittag folgten die von prächtigen Pferden gezogenen offenen Landauer der Familie, was kein geringes Aufsehen hervorrief, wie Schatek beschrieb. Nicht selten kutschierte der „alte Dreher“ selbst. Mannersdorfer Burschen, die schon vormittags in die Wüste gelaufen waren, verdienten mit dem Pferdehalten und anderen kleinen Dienstleistungen einige Kreuzer dazu. Nachmittags fuhren die Herrschaften wieder nach Schwechat zurück.
Die Schwechater Brauerei der Familie Dreher unterhielt in vielen Orten eigene Depots, in denen das nun gut haltbare Bier zwischengelagert und an die Gasthäuser weiterverteilt wurde. Auch in Mannersdorf wurde ein Brauereidepot eingerichtet, wie Frieda Dunshirn noch zu berichten wusste. Das Bier wurde aus Schwechat mit der Eisenbahn angeliefert, das war recht einfach zu bewältigen, denn die Brauerei hatte einen eigenen Gleisanschluss an die Pressburger Bahn (heutige Flughafenschnellbahn) und vor Fischamend-Dorf zweigte ja die Lokalbahn nach Mannersdorf ab. Am hiesigen Bahnhof wurde das Bier dann in Fässern aus den Waggons geholt und auf Pferdefuhrwerke umgeladen, mit denen der Gerstensaft dann in den Markt heraufgeführt wurde. Das Depot befand sich bis zur Schließung in der Sommereinerstraße 5, ob davor auch ein anderer Standort genutzt wurde, konnte nicht eruiert werden. Das Wohn- und Depothaus in der Sommerinerstraße dürfte um 1900 errichtet worden sein, vermutlich von Baumeister Richard Peer.
Das Mannersdorfer Brauereidepot wurde von Anton Komendisch geleitet, dieser stammte aus Probstdorf im Marchfeld, wo er 1854 zur Welt gekommen war. 1882 heiratete er in Oberlaa Elisabeth Sayek, die ihrerseits aus der Bukowina stammte. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war Anton als Handels- bzw. Kaufmann in Fischamend tätig, wo auch die ersten Kinder des Paares geboren wurden. Die 1882 eröffnete Gemischtwarenhandlung von Anton Komendisch in Fischamend dürfte jedoch nicht gut gelaufen sein, da im Jahr 1898 Konkurs angemeldet wurde. Nebenbei hatte sich Komendisch auch als Erfinder versucht und mit Joseph Spritzer ein Patent für einen Schraubenwassermotor erhalten.
Die Familie Komendisch dürfte um 1900 nach Mannersdorf gekommen sein, da hier 1903 Sohn Heinrich geboren wurde – der Weggang aus Fischamend dürfte wohl mit dem Konkurs in Zusammenhang gestanden haben. Anton wurde damals als „Bierversilberer“ bezeichnet, dürfte also bereits das Mannersdorfer Brauereidepot geleitet haben. Ein Bierversilberer war nichts anderes als ein Händler oder Verkäufer, der also Bier „versilberte“, sprich zu barer Münze machte. Schon Johann Nestroy hat den Berufszweig in seinem „Der Talisman“ mit der Rolle des schwerreichen Bierversilberers Spund zu würdigen gewusst. Ob der Mannersdorfer Bierversilberer auch so gut situiert war, ist nicht bekannt, das Geschäft wird aber wohl nicht schlecht gelaufen sein. Die Frauen der Familie Komenditsch waren indes für die Buchführung und die Kanzleiarbeit zuständig. Thomas Lukowitsch war beim Depot als Bierausführer beschäftigt und hat zudem die Pferde und die Fuhrwerke versorgt.
Die Komendisch dürften das Brauereidepot wohl bis in die 1920er-Jahre geführt haben. 1922 schien Anton Komendisch noch immer als Kassier der Schwechater Brauerei in Mannersdorf auf, als man ihm zu Ehren ein Fest gab – der Geehrte war nämlich langjähriger Obmann des Mannersdorfer Gesangsvereins gewesen. Seine musikalische Karriere hatte der Bierversilberer 1872 in Floridsdorf beim Gesangsverein „Harmonie“ gestartet, war dann in Fischamend als Sänger aktiv und trat 1901 dem Mannersdorfer Gesangsverein bei. Anton könnte über seinen älteren Stiefbruder Alois Komendisch zur Musik gekommen sein, da dieser Jahrzehnte dem Schwechater Männergesangsverein als Chormeister vorstand. Dieser Verein wurde sehr großzügig von der Braumeisterfamilie Dreher unterstützt, so dass es plausibel scheint, dass Anton Komendisch womöglich über Vermittlung seines Stiefbruders Mannersdorfer Bierdepotleiter wurde.
Anton Komendisch war auch als Funktionär in der Mannersdorfer Sektion des Österreichischen Touristen-Clubs aktiv. Er verstarb 1928 mit 74 Jahren in Mannersdorf, seine Gattin Elisabeth überlebte ihn nur um ein Jahr und verschied 1929. Nach Anton Komendisch wurde das Mannersdorfer Brauereidepot von Rudolf Domayer weitergeführt. Dieser war Jahrgang 1906 und der Bruder des Kaufmanns Johann Domayer. Rudolf war der erste „Autotaxiunternehmer“ in Mannersdorf und heiratete 1933 Anna Opferkuh. Unter Domayer wurde bereits ein Lastkraftwagen für den Biertransport eingesetzt. Mittlerweile hatten sich ja die Transportmittel weiterentwickelt, mit der fortschreitenden Motorisierung lösten Lastkraftwagen die Eisenbahn beim Biertransport ab. Im Jahr 1938 kam es mit dem Bierlastwagen zu einem schweren Unfall auf der Straße nach Götzendorf, bei dem zwar Rudolf Domayer unverletzt blieb, der Gastwirt Mathias Ackerl als Beifahrer aber ums Leben kam.
Das Bier und andere Getränke mussten in der Schank der Gasthäuser gekühlt werden, dazu brauchte man zunächst Kunsteis, das in Blöcke geschnitten in die ersten „Eiskästen“ kam. Das Eis für die Mannersdorfer Wirte wurde lange von Franz Lipsky aus der Schwechater Brauerei geholt und dann verteilt.
Der Niederösterreichische Grenzbote berichtete 1950 von einem schweren Raubüberfall auf Rudolf Domayer. Der Mannersdorfer Bierdepotleiter war beim Postamt niedergeschlagen worden, als er gerade 8890 Schilling für die Brauerei einzahlen wollte. Der unbekannte Täter entkam mit dem Bargeld, während Domayer eine Gehirnerschütterung erlitten hatte.
Als letzter Leiter des Brauereidepots fungierte J. Heizer, der nach Mannersdorf zugezogen war. Das Mannersdorfer Depot hatte mit der fortschreitenden Technik bald ausgedient und wurde geschlossen (das genaue Jahr konnte leider noch nicht eruiert werden). Das Bier wurde nun direkt aus Schwechat angeliefert und konnte mit den neuen Kühlsystemen gut in den Gasthäusern gelagert werden. Neben dem Bierausschank hielt der Gerstensaft auch in Flaschenform Einzug in den Lebensmittelhandel – in den 1960er-Jahren kamen zudem erste Dosenbiere auf den Markt. Heute erinnert nichts mehr an das alte Mannersdorfer Brauereidepot, denn das Haus Sommereinerstraße 5 wurde vor einiger Zeit abgebrochen.
Foto 1: Barocker Grabstein des Braumeister Remigius Heinrich, Stadtmuseum Mannersdorf (Michael Schiebinger)
Foto 2: Zunftzeichen der Bierbrauer mit Malzschaufel, Gerste und Bierschöpfer am Grabstein von Remigius Heinrich (Michael Schiebinger)
Foto 3: Neues Brauhaus in Sommerein (Pfeil), 1938 (Archiv Ava Pelnöcker)
Foto 4: Anton Drehers Brauerei in Klein-Schwechat (Gambrinus Brauerei- und Hopfenzeitung, 30. März 1895)
Foto 5: Haus Sommereinerstraße 5 im Jahr 2002, ehem. Standort des Mannersdorfer Bierdepots (Karl Trenker)
Foto 6: Arbachmühle mit Werbeschild der Klein-Schwechater Brauerei (Karl Trenker/Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 7: Mannersdorfer "Bierseligkeit" unter dem Nussbaum mit Baumeister Richard Peer (mittig links) (Karl Trenker/Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)