Online-Gschichtl Nr. 7

Das Mannersdorfer Jesulein - Teil 1

In Österreich gibt es unzählige große und kleine Wallfahrtsorte, die in der Mehrzahl der Gottesmutter gewidmet sind und deren Entstehung vielfach auf wundersame Begebenheiten zurückgeführt werden. Auch das Karmeliterkloster St. Anna in der Wüste war im 18. Jahrhundert zu einem kleinen Wallfahrtsort geworden …

 

Zur Vorgeschichte müssen wir zunächst einmal nach Prag blicken. Das dortige Karmeliterkloster erhielt um 1631 eine kleine Holzskulptur des Jesukindes geschenkt. Die Figur war zuvor als Hochzeitsgeschenk von Spanien nach Böhmen in den Besitz der Adelsfamilie Lobkowitz gekommen. Als die Skulptur nun in der Karmeliterkirche von Prag aufgestellt worden war, ereigneten sich um sie verschiedene Wunder. Kopien des wundertätigen „Prager Jesuleins“ verbreiteten sich fortan in vielen Klöstern des Karmelitenordens.

Zurück nach Mannersdorf. Im Jahr 1644 wurde auf einer Waldlichtung am Fuß des Leithagebirges von Kaiserin Elenora von Gonzaga-Mantua das Kloster der Unbeschuhten Karmeliten zur hl. Anna gegründet. Bereits im 17. Jahrhundert soll sich eine Kopie des Prager Jesuleins im Mannersdorfer Kloster befunden haben, wie eine Sage zu berichten weiß. Als die Osmanen 1683 unsere Gegend heimsuchten, waren die Mönche im Kloster ratlos, ob sie fliehen oder in der Wüste bleiben sollen. Als sie im Gebet vor dem Jesulein versunken waren, hörten sie ein Rascheln. Wie die Mönche aufblickten, sahen sie, dass die Figur den rechten Arm erhoben hatte und Richtung Wien deutete. Die Mönche nahmen darauf hin das Jesulein und flüchteten nach Wien – soweit die Sage.

Wie die Klosterchronik berichtet, waren die meisten Mönche 1683 tatsächlich nach Wien geflohen, von der wundersamen Begebenheit aus der Sage wurde aber nichts niedergeschrieben. Folgt man der Klosterchronik, so kam eine Kopie des Prager Jesuleins 1740 in das Kloster in der Wüste. Die Wiener Karmeliter hatten für ihr Kloster ein neues Exemplar des Gnadenbildes erhalten, sodass sie ihre bisherige Figur dem Bruderkloster in Mannersdorf schenken konnten. Das Jesulein wurde zunächst am Altar der Leopoldskapelle aufgestellt, am 17. Jänner 1740 wurde es dann in einer feierlichen Prozession in die Klosterkirche gebracht und erhielt dort eine dauerhafte Bleibe am Altar der hl. Theresia.

1778, so berichtet die Klosterchronik, kam Fürstin Leopoldine von Liechtenstein in die Leopoldskapelle. Dorthin hatte man auf ihren Wunsch hin das Jesulein zur Andacht gebracht, weil die Kapelle außerhalb der Klausur lag und daher auch von Besuchern betreten werden durfte.

Auch die Gräfin Esterhazy war öfters zur Kur in Mannersdorf und ließ sich ebenso das Mannersdorfer Jesulein zur Andacht in die Leopoldskapelle bringen. Die Skulptur galt damals bereits als wundertätig und wurde entsprechend als „Miraculosus Jesulus“ bezeichnet. Weitere Kur- und Badegäste kamen aus Mannersdorf an die Klosterpforte, um vor dem Jesulein um Genesung zu bitten. Der Frömmigkeit des Barocks entsprechend erhielt das Jesulein aus Dank Kleidchen und Krönchen geschenkt, mit der die Skulptur dann „anzogen“ wurde.

Mit der Aufhebung des Klosters St. Anna in der Wüste im Jahr 1783 gelangte das Mannersdorfer Jesulein wieder zurück in das Wiener Karmeliterkloster in der Leopoldstadt. Der Orden musste das barocke Kloster im 2. Bezirk 1897/98 aufgeben und bezog das neuerrichtete Kloster in Döbling (Silbergasse). Auch das Mannersdorfer Jesulein übersiedelte dort hin. Am vordersten, rechten Seitenaltar der Klosterkirche in Döbling erhielt es seinen neuen Aufstellungsort – noch heute kann „unser“ Jesulein dort besucht werden. Die Skulptur besitzt ein geschnitztes, abnehmbares Kleid und ist mit dem Sockel etwa 67 cm hoch. Aus stilistischen Gründen dürfte das Werk um oder nach 1700 entstanden sein. Die barocken Textilkleidchen dürften wohl verloren gegangen sein, als unter Joseph II. das Ankleiden von Gnadenbildern untersagt wurde. Das hölzerne Kleid könnte daher im 19. Jahrhundert als Ersatz entstanden sein, zumal es nicht ganz mit der Körperhaltung der Skulptur und dem Sockel zusammenpasst.

1999 konnten Josef Hof, Hans Amelin und Karl Tschank das Jesulein näher in Augenschein nehmen, den Grund dafür erfährt ihr im nächsten Online-Gschichtl …


Fotos: Archiv Hans Amelin, Archiv Michael Schiebinger