Online-Gschichtl Nr. 23

Eine besondere Kirche für Wasenbruck

Die meisten Kirchenbauten unserer Region stammen aus dem Mittelalter, andere wurden im Barock errichtet, so auch die Pfarrkirche von Mannersdorf. Im 20. Jahrhundert entstanden in unserem näheren Umfeld nur wenige Kirchenneubauten, wie jener in Wasenbruck. Michael Schiebinger wirft einen Blick auf ein architektonisch interessantes Beispiel des modernen Sakralbaus und die lokale Kirchengeschichte.

 

Der Ort Wasenbruck ist relativ spät aus der Taufe gehoben worden, im Laufe des 19. Jahrhunderts war er als Arbeitersiedlung der hiesigen Filztuchfabrik von Hutter und Schrantz entstanden. Im 20. Jahrhundert setzte dann eine Siedlungstätigkeit ein und zahlreiche Einrichtungen entstanden, nur eines fehlte zum „vollkommenen Dorf“ – eine Kirche.

Die Kirchengeschichte von Wasenbruck beginnt bereits im Jahr 1856, als die neue Mühle an der Leithabrücke einer Pfarre zugewiesen werden sollte. Es wurden die Entfernungen nach Reisenberg, Mannersdorf und Pischelsdorf amtlich gemessen, die kürzeste Distanz bestand zu letzterem. Und so wurde das Gebiet um die Wasenbrücke nach Pischelsdorf eingepfarrt. Nach der Fabriksgründung kamen viele Arbeiter nach Wasenbruck, sie hatten wohl keine enge Bindung zur katholischen Kirche. Die Pfarre Pischelsdorf, bäuerlich geprägt, dürfte auch ihrerseits wenig seelsorgliches Engagement in ihrem „Randgebiet“ aufgebracht haben.

Nach dem Großbrand der Pischelsdorfer Pfarrkirche 1908 hatte man ohnedies andere Sorgen – der dortige Kirchenneubau wurde erst 1914 begonnen. Kriegsbedingt blieb der Bau vorerst eine Baustelle, 1923 schritten die Pischelsdorfer an den Weiterbau. Auch die Marktgemeinde Mannersdorf wurde verpflichtet für die 618 Katholiken aus Wasenbruck einen finanziellen Anteil beizutragen. In Pischelsdorf gab es damals nur 401 Katholiken, also weit weniger als im pfarrlichen „Randgebiet“. Um den Zahlungen zu entgehen, versuchte man vergeblich eine Umpfarrung von Wasenbruck nach Mannersdorf zu erreichen.

Als die politischen Spannungen in der Zwischenkriegszeit zunahmen, zeigte sich das auch in der Seelsorge, denn der Pischelsdorfer Pfarrer hatte längst resigniert und verzichtete auf den Religionsunterricht der Wasenbrucker Schulkinder, die mehrheitlich aus sozialdemokratischen Familien stammten. Erst in der Ständestaatdiktatur sollte sich das ändern, so wurden ab 1934 im Turnsaal des Kinderheimes vom Mannersdorfer (!) Pfarrer Sonn- und Feiertagsgottesdienste gefeiert. Im Zuge der Pfarrvisitation 1935 besuchte sogar Weihbischof Franz Kamprath die Wasenbrucker Gottesdienststätte. Als Protest gegen die katholische Präsenz traten viele Wasenbrucker in die Evangelische Kirche ein, die nun im Ort ebenfalls Gottesdienste abhielt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Seelsorgefrage in Wasenbruck wieder aufgeworfen und nun ein eigener Kirchenbau ins Auge gefasst. 1956 wurde daher von der noch immer zuständigen Pfarre Pischelsdorf ein Grundstück für das Projekt angekauft. Der Kirchenbau wurde von Architekt Johann Rezac geplant, dieser war ein Wasenbrucker Arbeiterkind und wurde 1911 im Haus Nr. 283 (Windgasse 5) geboren. Er studierte später an der Akademie der Bildenden Künste, u.a. bei dem bedeutenden Architekten Peter Behrens. Später war er immer wieder freischaffend tätig und übernahm auch Aufträge in seiner Heimatgemeinde Mannersdorf. Rezac war lange als HTL-Lehrer tätig und verstarb 1998.

Seine Erfahrung half ihm auch bei der Wasenbrucker Filialkirche, bei deren Entwurf deutlich wird, dass sich Rezac mit den damaligen, zeitaktuellen Strömungen in der Architektur intensiv auseinandergesetzt haben muss. Für die Planung wurde auch ein Modell der Kirche erstellt, wie Fotos in der Sammlung der ÖNB zeigen. Die eigentliche Bauausführung übernahm dann die Porr AG, während die Baumeisterarbeiten Karl Dorner aus Gramatneusiedl überantwortet wurden. Im Spätherbst 1959 wurde mit den Bauarbeiten begonnen und am Samstag, den 7. Mai 1960 nahm Dr. Franz Jachym die Grundsteinlegung vor.

Jachym war Erzbischof-Koadjutor von Wien und seit 1956 Leiter des erzbischöflichen Bauamtes. Neben zahlreichen anderen Kirchenneubauten, sollte Jachym auch die Konsekration (Weihe) der Filialkirche von Wasenbruck vornehmen – dies geschah am Sonntag, den 12. Mai 1963. Patron der Kirche wurde der „hl. Josef, der Arbeiter“, wobei der Titelzusatz nicht von ungefähr kam. 1955 hatte Papst Pius XII. diesen besonderen Gedenktag am 1. Mai für den hl. Josef eingeführt, um die katholische Arbeiterbewegung zu stärken und dem „Tag der Arbeit“ ein Pendant gegenüberzustellen. Die Wahl des Weihetitels für die Kirche in Wasenbruck war somit auch ein Stück weit Kirchenpolitik der Nachkriegszeit.

Der Bau der Wasenbrucker Filialkirche hatte letztlich gut 1,9 Mio. Schilling gekostet, die Finanzierung übernahm dabei größtenteils die Erzdiözese. Die Marktgemeinde Mannersdorf gewährte Subventionen von insgesamt 30.000 Schilling und auch die Installationsarbeiten wurden bezahlt. Am 1. Dezember 1967 erfolgte dann die organisatorische Übernahme der Filiale durch die Pfarre Mannersdorf. 1968 wurde die Filialkirche vom Land Niederösterreich als „Vorbildliches Bauwerk“ ausgezeichnet. Im Juni 1970 kam mit Erzbischof Franz Kardinal König ein hoher Gast in die Kirche. Vor einigen Jahren wurde der Außenbau renoviert. Erst 2014 wurden Kirche und Grundstück von der Pfarre Pischelsdorf durch Schenkung an die Pfarre Mannersdorf übergeben.

Bis auf kleinere Neuerungen (Kruzifix und Volksaltar) präsentiert sich der Kirchenbau bis heute als ein bisher kaum beachtetes, aber umso bedeutenderes Beispiel des Sakralbaus der Nachkriegsmoderne in Niederösterreich. Zu einer Zeit, als die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils noch nicht umgesetzt war und noch vielfach auf längs ausgerichtete Kirchenräume gesetzt wurde, plante Johann Rezac bereits einen zukunftsweisenden Zentralbau mit ungewöhnlichem, schneckenförmigem Grundriss. Eine klare Formensprache zieht sich vom Außenbau bis in den Innenraum, wo auch die Nebenräume funktional angeordnet sind. Ein Bau, der seiner Zeit deutlich voraus war!


Foto 1: Filialkirche Wasenbruck, 1960er-/70er-Jahre, Sammlung Heribert Schutzbier

Foto 2: Visitation in Wasenbruck mit Erzbischof Franz Kardinal König und Pfarrer Johann Wimmer 1970, Sammlung Heribert Schutzbier

Foto 3-5: Filialkirche Wasenbruck, Michael Schiebinger