Beim heutigen Online-Gschichtl stehen ein besonderes Gewerbe im Fokus, Michael Schiebinger berichtet über die Friseure und Raseure.
Am Beginn der Entwicklung des Friseurgewerbes standen im Mittelalter die Bader, die sich dem Badewesen, der Körperpflege einschließlich des Kopfhaares und der medizinischen Behandlung widmeten. Von den Badern trennten sich dann die Bartscherer (Barbiere) als eigener Berufszweig. Als im Barock dann das Kunsthaar modern wurde, entstand noch das Handwerk der Perückenmacher. Im Wiener Umfeld wurden die Befugnisse der einzelnen Gewerbezweige im 18. Jahrhundert reglementiert und der Innungszwang eingeführt. Erst als im 19. Jahrhundert die Perücken an Bedeutung verloren und das natürliche Kopfhaar zum Ausgangspunkt von Modeströmungen wurde, hat sich schrittweise das Berufsbild des heutigen Friseurs etabliert. Die Ausbildung blieb zunächst uneinheitlich, erst um 1900 wurde in Wien eine Berufsschule geschaffen. Nach der Gesellenprüfung wurde erst 1922 (!) eine eigene Meisterprüfung für Friseure eingeführt.
Die Friseure des Bezirks Bruck an der Leitha hatten sich 1905 zu einer Genossenschaft als Standesvertretung zusammengeschlossen. Das Gewerbe war damals noch durch die Herrenfriseure und Raseure geprägt, zu denen sich im Bezirk schrittweise auch einige Damenfriseurinnen gesellten. In Mannersdorf wurde das Gewerbe aber lange ausschließlich von Männern ausgeübt. Im Jahr 1903 gab es im Markt drei Friseure und Raseure, später kamen einige weitere „Standesgenossen“ hinzu.
Der Barbier und Friseur Karl Moritz Berthold stammte aus Lommatzsch in Sachsen, wo er 1835 als Sohn des Webermeisters Karl Friedrich Berthold geboren worden war. Womöglich gelangte Karl Moritz auf der Walz nach Mannersdorf, wo er 1867 mit Anna Polly die Ehe einging. Zur gemischtkonfessionellen Heirat musste er zunächst die Bewilligung von den sächsischen Behörden einholen und sich in seiner neuen Heimat als Protestant verpflichten, seine künftigen Kinder mit Anna im katholischen Glauben zu erziehen. Ob und wie lange Karl Moritz Berthold in Mannersdorf auch das Friseurgewerbe ausübte, ist aber fraglich, da er 1883 mit nur 48 Jahren verstarb und zu diesem Zeitpunkt bereits als Greißler mit Viktualien (Lebensmitteln) handelte. Nach dem Tod ihres Mannes führte Anna Berthold die Greißlerei im Eckhaus gegenüber dem Gasthaus Matzenauer/Kopper fort. Auch die Söhne Friedrich und Karl wurden als Kaufmänner tätig, sodass das Friseurgewerbe in der Familie keine Zukunft hatte.
Julius Lakatos war 1852 in Raab/Györ als Sohn des Mesners der dortigen Domkirche geboren worden. Als Friseur und Barbier war er später nach Mannersdorf gekommen, wo er 1885 die erst 16-jährige Nachbarstochter Juliana Nejeßleba zur Frau nahm. Der Paar zog in Julianas Elternhaus (Nr. 26), wo ihr Vater als Lederermeister tätig war – Julius und Juliana bekamen zahlreiche Kinder. Bis Oktober 1903 übte Lakatos das Friseurgewerbe aus, danach legte er es zurück. Über seinen weiteren Lebensweg konnte vorerst nichts in Erfahrung gebracht werden.
Der Friseur August Step (auch Štep) stammte aus Jenikowitz bei Königgratz/ Jeníkovice u Hradce Králové in Böhmen, wo er 1875 als Sohn des Fuhrwerksbesitzes Josef Štep geboren worden war. Wie viele Böhmen kam August später nach Wien, wo er 1898 in Meidling Bertha Kunisch zur Frau nahm. Damals wohnte August in der Himbergerstraße in Favoriten, wo auch sein Trauzeuge, der Friseurgehilfe Franz W. Kalab, untergekommen war. Es ist daher anzunehmen, dass Step seine Friseurlehre in Wien absolviert hat. Das frisch vermählte Paar Step dürfte bald nach Mannersdorf gekommen sein, da hier 1899 Sohn August Josef zur Welt kam. Das Familienglück währte aber nur kurz, denn Gattin Bertha verstarb alsbald und August Step nahm 1901 Josefa Huber zur Frau. Aus der zweiten Ehe entstammte der 1902 geborene Sohn Josef. August Step sen. dürfte dann einige Jahre in Mannersdorf als Friseur tätig gewesen sein. Hier engagierte er sich auch als Funktionär im Radfahrclub „Austria“. Im Mai 1917 verstarb Sohn August jun. einen Tag vor seinem 18. Geburtstag im Wiener Allgemeinen Krankenhaus. Seinen Stiefbruder Josef verschlug es offenbar der Liebe wegen 1926 nach Kufstein. Später schien August Step sen. nicht mehr in Mannersdorf auf, er ging offenbar nach Wien, wo er 1943 verstarb.
Ludwig Selg stammte aus Hafenhofen in Bayerisch-Schwaben (Lkr. Günzburg). Geboren wurde er 1856 im nahen Pfaffenhofen an der Roth, als Sohn des Arztes Johann Selg. Ob Ludwig noch in Bayern die Friseurlehre absolvierte ist ungewiss, er könnte jedenfalls auf der Walz nach Wien gekommen sein. Denn hier schloss er bereits als ausgebildeter Friseur 1888 in der Pfarrkirche Kaiserebersdorf die Ehe mit Maria Amon, der Tochter des Eisenbahnschmieds von Bruck an der Leitha. Das junge Paar ließ sich zwischenzeitlich in Simmering nieder, wo 1893 Sohn Ludwig Josef zur Welt kam. Um 1900 dürfte die Familie Selg dann nach Mannersdorf gekommen sein und mietete sich im Krempelsauer-Haus (Berthold-Haus) auf der Hauptstraße ein. Wie Frieda Dunshirn berichtete, lebte die Familie hier in bescheidenen Verhältnissen. Vorne bestand der Geschäftsraum und rückwärts war der Wohnraum mit den Betten. Eine Fotografie zeigt Familie Selg vor ihrem Friseurgeschäft, das mit einem hängenden, symbolischen Rasierbecken als altem Zunftzeichen gekennzeichnet war.
Ludwig Selg sen. übte sein Handwerk nicht nur im Geschäftslokal aus, sondern war schon damals mobil. So besuchte er seine Kunden zu Hause, ein Angebot, das besonders die älteren Mannersdorfer*innen zu schätzen wussten. Die Familie Selg übersiedelte später in das Kolb-Haus (Hauptstraße 27), wo der Friseurbetrieb fortgeführt wurde. Sohn Ludwig Josef war in die Fußstapfen des Vaters getreten und ebenfalls Friseur geworden. 1925 heiratete er in Mariazell Maria Neubauer, die ebenfalls aus Mannersdorf stammte. Im Folgejahr übernahm dann Ludwig jun. das Geschäft seines Vaters. Der Senior war seinerseits Funktionär der Brucker Friseurgenossenschaft, dessen ältestes Mitglied er war. Im Juni 1931 verstarb Ludwig Selg sen. mit 74 Jahren im Haus Hauptstraße 27.
Der Friseur Heinrich Stößer stammte aus Wien und war Jahrgang 1880. Später kam er nach Mannersdorf, womöglich um hier sein Handwerk zu erlernen. 1903 schloss Stößer in Wien-Favoriten die Ehe mit Theresia Jungwirth. Der Bräutigam wurde aus Mannersdorf gebürtig beschrieben, der Wohnadresse zu folge dürfte er sich aber zwischenzeitlich in Wien aufgehalten haben. Die Kinder des Paares kamen dann in Mannersdorf zur Welt, folglich war die junge Familie wieder hierher zurückgekehrt. Heinrich Stößer dürfte dann einige Zeit im Marktflecken ein Friseurgeschäft betrieben haben, ehe er 1917 die Geschäftseinrichtung veräußerte. Er dürfte in der Folge Mannersdorf verlassen haben, da er 1927 in Wien eine zweite Ehe einging.
Im Haus Jägerzeile 40 wohnte der Friseur Eduard Neumann, der 1903 in Korneuburg als Sohn des Bürstenmachermeisters Anton Neumann geboren worden war. Später gelangte er nach Mannersdorf, wo er 1932 Juliana Kuso zur Frau nahm. Eduard Neumann verstarb 1973 in Edlitz an der Rax.
Im Nachbarhaus Jägerzeile 42 unterhielt Thomas Schmid sein Friseurgeschäft. Er war 1884 in Sommerein zur Welt gekommen und der Sohn des dortigen Schuhmachermeisters Franz Schmid. 1913 heiratete Thomas die sechs Jahre ältere Elisabeth Pappenberger aus Mannersdorf. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war Schmid im 16. Bezirk wohnhaft, sodass anzunehmen ist, dass er seine Friseurlehre in Wien absolviert hatte. Nach der Heirat dürfte er zu seiner Elisabeth nach Mannersdorf gezogen sein, zumal hier die Kinder des Paares geboren wurden. 1919 kam Sohn Hermann zur Welt, der den Beruf des Vaters erlernen sollte. Das Geschäft in der Jägerzeile dürfte sehr gut gelaufen sein, denn 1926 suchte Friseurmeister Schmid zur Verstärkung einen „Herrenbediener“ und „Bubikopfhaarschneider“ für seinen Laden – ein Wochenlohn von 10 Schilling wurde in Aussicht gestellt.
Thomas Schmid verstarb im Jänner 1936 mit nur 51 Jahren. Zwei Jahre später wurde seine Witwe Elisabeth als Inhaberin des Friseurgeschäftes genannt, sie dürfte zunächst selbst den Betrieb fortgeführt haben. Sohn Hermann, der inzwischen die Lehre absolviert und 1949 geheiratet hatte, übernahm dann den elterlichen Friseurbetrieb. Bis ins hohe Alter stand er in seinem Friseursalon in der Jägerzeile, Hermann Schmid verstarb 1995.
Der Friseur und Raseur – in den Kirchenbüchern auch als „Haarschneider“ titulierte – Leopold Götz stammte wiederum aus Kaltenleutgeben, wo er 1892 als Sohn des Taglöhners Georg Götz geboren worden war. Im Oktober 1919 heiratete Leopold Götz in Mannersdorf Amalia Hartl, die ebenfalls aus Kaltenleutgeben stammte – das Paar dürfte erst kurz zuvor zugezogen sein. Im Jahr 1920 kam Sohn Leopold zur Welt, 1921 folgte Sohn Karl. Letzterer sollte später das Handwerk des Vaters erlernen. Leopold Götz sen. verstarb 1958 in Mannersdorf, danach führte Sohn Karl den Friseurbetrieb fort.
Hans Müller betrieb zunächst ein Friseurgeschäft in Wasenbruck. Später kam er nach Mannersdorf, wo er sein Geschäftslokal im Haus Hauptstraße 20 betrieb. Eine weitere Filiale bestand in der Unteren Hauptstraße in Neusiedl am See.
Heute bestehen in Mannersdorf sechs Betreibe, die in das Gewerbe „Friseur und Perückenmacher“ fallen – weitere Mannersdorfer*innen üben das Gewerbe außerhalb unserer Stadt aus.
Foto 1: Beim Friseur (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 2: Wiener Herrenmodefrisuren um 1900 (Neue Wiener Friseur-Zeitung, 1.1.1898)
Foto 3: Das Krempelsauer-Haus mit dem Geschäftslokal von Ludwig Selg (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 4: "Firmungs- und Fronleichnamsfrisuren" (Neue Wiener Friseur-Zeitung, 15.5.1903)
Foto 5: Die Familie des Raseurs und Friseurs Ludwig Selg (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 6: Bubikopffrisuren aus den 1920er-Jahren (Neue Wiener Friseur-Zeitung, 1.5.1928)