Im heutigen Beitrag widmet sich Michael Schiebinger den „kaiserlichen Aussichten“, sprich der Kaisereiche und der Kaiser Franz Josefs-Warte am Leithagebirge. Dieser Aussichtsort ist zwar auf Hofer Gemeindegebiet gelegen, weist aber starke historische Verbindungen zu Mannersdorf auf. Der Beitrag fußt auf den umfangreichen Recherchen von Hans Schwengersbauer zur Lebensgeschichte des Arztes Dr. Josef Wache.
Der Steinerwegberg auf Hofer Gemeindegebiet ist mit seinen 443 Metern Seehöhe die zweithöchste Erhebung des Leithagebirges. Besser bekannt ist der Berg unter der Bezeichnung „Kaisereiche“, ein besonderer Name mit geschichtlicher Herkunft. Auf dem Bergplateau befand sich bereits im 18. Jahrhundert ein Aussichtspunkt mit einer auffallend großen Eiche. Kaiser Franz I. (II.) weilte am 23. September 1793 in seiner Familienherrschaft Mannersdorf-Scharfeneck. Neben einer Spazierfahrt in die Wüste und dem Besuch der Ruine Scharfeneck, begab sich der Monarch auch auf den Steinwegberg mit seiner Eiche. Ob der Baum bereits damals nach seinem kaiserlichen Besucher benannt wurde, ist ungewiss.
Auch Kaiser Ferdinand I. sollte den Besuch seines Vaters in der Familienherrschaft wiederholen. Zunächst rechnete man bereits 1837 mit dem hohen Gast und ließ die Fahrwege am Leithagebirge ausbessern. Ferdinand kam jedoch erst 1839 in seine Herrschaft. Verwalter Martin Treitl ließ zu diesem hohen Ereignis an der mächtigen Eiche am Steinwegberg eigens eine Aussichtsplattform in sechs Metern Höhe errichten. Von hier aus konnte der Kaiser die Aussicht genießen. Die Eiche trug nun fortan ihren kaiserlichen Namen. Der alte Baum dürfte, so Heribert Schutzbier, um 1900 durch einen neuen ersetzt worden sein.
Im Jahr 1881 hatte die Sektion „Leithagebirge“ des Österreichischen Touristen-Clubs mit Sitz in Mannersdorf ihre Arbeit aufgenommen. Gründungsvorstand wurde Pater Carl Doczkalik, der aber bald nach Himberg übersiedelte. Alexander Stieböck und der Mannersdorfer Arzt Dr. Josef Wache übernahmen daher die Vorstandsposten. Als erstes Projekt schritten die Mitglieder der Sektion zur Markierung des Weges zwischen der Wüste und der Kaisereiche. 1887 fanden sich im Vorstand der Sektion weitere Mannersdorfer Honoratioren wie Apotheker Paul Tacina, Mühlenbesitzer Carl Klimpke und Pfarrer Johann Glogowatz.
Der Aussichtspunkt auf der Kaisereiche hat es den Protagonisten der Mannersdorfer Sektion besonders angetan. Dieser Ort sollte nun stärker touristisch erschlossen werden und was war da naheliegender, als die Errichtung einer Aussichtswarte. Rings um Wien waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits zahlreiche Warten errichtet worden. Ein solches Monument sollte nun auch auf der Kaisereiche entstehen.
Am 2. Mai 1888 beschloss der Ausschuss der Sektion Leithagebirge den Bau der Warte, am 11. Mai stimmten dann die Mitglieder in einer Plenarversammlung dafür. Das Projekt stieß auch in der Politik und in der Verwaltung auf große Zustimmung, namhafte Persönlichkeiten stellten sich als Unterstützer ein. Die zu errichtende Warte sollte zum 40. Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Josef ihm zu Ehren benannt werden. Dazu wurde „seiner Majestät“ telegrafisch eine Huldigungsadresse übermittelt – der Kaiser hat seinen „allerhöchsten Dank“ erwidert.
Am Sonntag, den 19. August 1888 lud die Sektion Leithagebirge unter ihrem Vorstand, Arzt Dr. Josef Wache, zur feierlichen Grundsteinlegung auf die Kaisereiche. Der Standort wurde von den Bauherren als der „schönste Aussichtspunkt des Leithagebirges“ angepriesen. Zur Feier waren Veteranenvereine, Sängergruppen und Hofschauspieler erschienen. Im Anschluss an die eigentliche Grundsteinlegung wurde in der Mannersdorfer Wüste ein „Waldfest“ gegeben.
Zur Errichtung der Warte wurden die Steine von der Wiener Baugesellschaft beigestellt, die in Mannersdorf einen Steinbruch betrieben. Die k.k. Güterverwaltung erlaubte die kostenlose Anlieferung des Baumaterials, während die Gemeinde Hof den Baugrund zur Verfügung stellte. Die Gemeinde Mannersdorf und zahlreiche Vertreter des Adels und der Gesellschaft unterstützten den Bau finanziell, sodass dieser innerhalb eines Jahres vollendet werden konnte. An der Ausführung wirkten Steinmetzmeister Johann Schäffer, Zimmermeister Andreas Einramhof und Baumeister Friedrich Sollak mit, letzterer dürfte auch den Entwurf geliefert haben. Die Warte wurde als achtseitiger Turm konzipiert. Das aus Bruchsteinen gemauerte Untergeschoss diente als Schutzraum für Wanderer, deshalb wurde die Treppe zum Obergeschoss außen angeordnet. Von dort führt eine innenliegende Treppe auf die überdachte, damals aber noch offene Aussichtsplattform.
Rechtzeitig zum Geburtstag von Kaiser Franz Josef wurde die Warte auf der Kaisereiche am 18. August 1889 eröffnet. Das Fest ist insofern bemerkenswert, da es am Vormittag mit zeitgleichen Empfängen und Gottesdiensten in Mannersdorf und Hof begann. Zu Mittag zogen dann die jeweiligen Festzüge aus Mannersdorf und Hof kommend zur Kaisereiche hinauf. Auch aus Ungarn, von Purbach und Donnerskirchen aus, kamen Festgäste zur Kaisereiche. Dort wurden die Gäste durch die Sänger des Festchores begrüßt. Neben Vorstand Josef Wache ergriff auch der Gründer der Sektion, Hochwürden Doczkalik, das Wort. Nach Huldigungsrufen an den Kaiser erklang abschließend die Volkshymne. Am Nachmittag begab sich die Festgesellschaft gemeinsam in die Wüste, wo die Hofer Musikkapelle unter Leitung von Anton Streidl ein Platzkonzert abhielt. Während sich die auswärtigen Gäste zum Mannersdorfer Bahnhof begaben, ließen die Mannersdorfer und Hofer den Festtag bei einem Tanzkränzchen im Gasthaus „Zum schwarzen Adler“ (Unterer Richterwirt) ausklingen.
Seit ihrer Eröffnung wurde die Warte immer wieder instandgehalten, 1927 bis 1931 erfolgte eine Renovierung, 1935 wurde der Holzaufbau neu gestrichen, 1938 wurde ein Blitzableiter angebracht. Bei den Baumaßnahmen der Zwischenkriegszeit wurde der Holzbaubau mit Fenstern geschlossen und der bisherige Putz abgeschlagen, seither ist das Bauwerk steinsichtig.
In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens wurde die Warte jährlich von 3500 bis 5000 Wanderern besucht. Seit 1907 stand der Grund im Eigentum der Waldgenossenschaft Hof, während die Warte vom Österreichischen Touristen-Clubs betreut wurde. In der NS-Zeit wurde die Warte wegen des geplanten Truppenübungsplatzes 1940 vom Regime „einkassiert“. Während des Krieges wurde auf der Warte sogar eine FLAK-Stallung eingerichtet. Nach 1945 erhielt die Waldgenossenschaft ihr Eigentum zurück, seit 1980 führt sie die Bezeichnung „Agrargemeinschaft“. 1982 wurde das Bauwerk auf Initiative der Marktgemeinde Hof renoviert, da die Witterung und Vandalen der Warte stark zugesetzt hatten. 2005 hat Karl Trenker eine sehenswerte Miniaturkopie der Warte vor seinem Mannersdorfer Wohnhaus errichtet.
Der Name der Kaisereiche ist mittlerweile längst vom Baum auf den Standort übergegangen. Heute ist dieser besondere Aussichtspunkt ein beliebtes Wanderziel von Gästen aus nah und fern. Betrachtet man die Geschichte des Ortes und der Warte, so sind sie auch Zeugnisse der guten Nachbarschaft und der alten Verbindungen zwischen Hof und Mannersdorf.
Foto 1: Die Kaisereiche anno dazumal (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 2: Einladung zur Eröffnungsfeier der Kaiser Franz Josefs-Warte am 18. August 1889 (Archiv Heribert Schutzbier)
Foto 3: Die Eröffnung der Kaiser Franz Josefs-Warte 1889 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 4: Die Warte im Ursprungszustand, um 1900 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 5: In der Zwischenkriegszeit wurde das Mauerwerk steinsichtig und das Holzgeschoss geschlossen (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 6: Warte und Kaisereiche, um 1930 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 7: Die Warte als FLAK-Stellung im Zweiten Weltkrieg (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 8: Die Warte auf der Kaisereiche heute (Michael Schiebinger)