Diesmal möchte sich Michael Schiebinger den Bäckern und Konditoren in Mannersdorf widmen.
Über das Bäckerhandwerk in Mannersdorf ist verhältnismäßig wenig bekannt. Die Bäcker waren, wie andere Berufszeige, seit dem Mittelalter in Zünften zusammengeschlossen, diese bildeten als Standesvertretung ein soziales und ökonomisches System. Durch sie wurden die Rohstofflieferungen, Löhne, Preise und Absatzmengen streng geregelt. Nicht jeder konnte frei ein Gewerbe ausüben, sondern unterlag dem Zunftszwang. Die Hierarchie Lehrling-Geselle-Meister wurde strikt eingehalten und spiegelte sich in der inneren Organisation der Zunft wider. Zünfte gab es in den Städten und größeren Märkten, die Handwerker am Land wurden jeweils gebietsmäßig zugeordnet. Auch die Mannersdorfer Bäcker mussten einer Zunft angehört haben. Mit Jobst Pindter ist 1578 erstmals ein Mannersdorfer Bäcker namentlich fassbar. Im 18. Jahrhundert gab es zumindest zwei Bäckermeister in Mannersdorf, wie ein Gerichtsurteil zeigt. Im Jahr 1736 hatten nämlich Peter Putz und Wolfgang Greiner ihren Kunden zu kleine Gebäckstücke verkauft – diese waren damals ja in Gewicht und Größe genormt. Im Jahr 1764 wurde das Herrschaftswirtshaus an Thoma Forstner übergeben, zu ihm gehörte auch ein eigener Brotladen.
Erst mit der Gewerbeordnung 1859 kam auch in Österreich die Freiheit Betriebe eröffnen zu dürfen und dies nur noch behördlich anzeigen zu müssen. Das alte Zunftwesen war damit Geschichte, an ihre Stelle traten moderne Berufsverbände. Um die Jahrhundertwende gab es in Mannersdorf fünf Bäckereibetriebe, jene von Franz Boček, Johann Gottlieb Fritz, Wilhelm Peer, Anton Ruschitzka und Josef Stummer. Zudem wurde Alois Bittner als Lebzelter und Wachszieher angeführt, beide Gewerbezweige waren ja historisch stets miteinander verbunden. Das Mehl für die Backwaren wurde vor allem von der Klimke-Mühle in Wasenbruck oder den Mühlen der Firmen Polsterer und Schmid in Götzendorf bezogen. In der Hochzeit des Handwerks bis zu den 1970er-Jahren bestanden in Mannersdorf fünf Bäckereien, daneben waren zwei Zuckerbäcker bzw. Konditoren tätig.
Auf der Hauptstraße befand sich die Bäckerei von Michael Waldrauch. Dieser war aus Götzendorf zugezogen und hatte hier 1904 Helena Santruschitz geheiratet. Das Geschäftslokal wurde kurz danach neu eröffnet und hatte keinen Vorgängerbetrieb. Ebenfalls auf der Hauptstraße betrieb Rudolf Fritz seine „Weiß- und Schwarzbäckerei“. Bereits sein Vater Johann Gottlieb hatte hier sein Handwerk ausgeübt, Sohn Rudolf führte den Betrieb mit seiner Gattin Magdalena. Da der Sohn des Bäckerehepaares, Rudolf jun., 1942 gefallen war und Rudolf sen. 1944 verstarb, übernahm ihr Bäckergehilfe und nunmehriger Meister Stefan Zwiletisch das Geschäft. Zwiletisch war aus Au gebürtig und hatte in Mannersdorf 1938 Leopoldine Batzelt geheiratet. Seit 2004 wird der Standort der Bäckerei Zwiletisch nun als Filiale der Café-Konditorei Winter aus Götzendorf geführt.
Auch ein dritter Bäcker hatte auf der Hauptstraße Nr. 25 sein Geschäftslokal, Leopold Kolb, von den Mannersdorfern liebevoll „Kolb-Bäck“ genannt. 1926 verstarb Bäckermeister Leopold Kolb, sein gleichnamiger Sohn führte den Betrieb fort. Seit 2002 betrieb die Bäckerei Wild eine Filiale an der Hauptstraße 25, später übernahm die Bäckerei Berger, heute ist das Lokal im Haus Hauptstraße 18 untergebracht. Auf der Hauptstraße Nr. 22 bestand noch eine vierte Bäckerei, jene von Karl Redl. Dieser war 1872 in Gattendorf geboren worden und ging als Bäckergehilfe nach Wien, wo er 1903 Juliana Windholz aus Bruck zur Frau nahm. Das Ehepaar Redl ist dann nach Mannersdorf zugezogen, hier kam 1913 Sohn Karl zur Welt. Bäckermeister Karl Redl sen. verstarb 1935 in hohem Alter, Sohn Karl jun. führte den Betrieb nicht fort, er war „Amtswart“ geworden.
In der Sommereinerstraße 13 betrieb zunächst die Familie Hummel eine Bäckerei, diese wurde dann von Josef Müller weitergeführt. Müller stammte aus Göttlesbrunn und kam mit seiner Gattin Katharina nach Mannersdorf. Im Juli 1934 ertrank der 39-jährige Bäckermeister Müller, nachdem er am linken Donauufer bei der Wiener Reichsbrücke in das Wasser gefallen sein dürfte. Ein Journalist spekulierte, ob es nicht Selbstmord war, da die Geschäfte des Toten schlecht gelaufen seien. Nach Müllers Tod übernahm sein Geselle Johann Nepomuk Ertlbauer, der aus Hollern stammte, die Bäckerei und heirate 1936 seine verwitwete Chefin Katharina Müller. Ertlbauers Eltern Anton und Maria wurden um 1944 vom Mannersdorfer Maler Edmund Adler porträtiert, beide Werke befinden sich heute in der Edmund-Adler-Galerie.
In der Tattendorfgasse 40 befand sich der fünfte Bäckereibetrieb von Mannersdorf. Hier ging Bäckermeister Franz Boček seinem Handwerk nach. Sein Geschäft galt als besonders schön und „reinlich“. Boček stammte aus Groß-Meseritsch/Velké Meziříčí im böhmisch-mährischen Hochland und war zunächst Bäckergehilfe in Inzersdorf am Wienerberg (heute Wien 23). Dann lernte Boček Franziska Hauke aus Mannersdorf kennen, heiratete sie und zog in die Tattendorfgasse. Auch Bočeks gleichnamiger Sohn Franz (1898-1948), der Magdalena Klettner geehelicht hatte, führte später den Betrieb fort.
In der Jägerzeile Nr. 1 betrieb Alois Bittner bis zu seinem Tod 1933 eine Zuckerbäckerei, zudem war er Lebzelter und Wachszieher. Bittner stammte aus Zettau in Mähren und hatte Theresia Altdorfer geheiratet, diese entstammte der bekannten, alteingesessenen Eisenstädter Bäcker- und Konditorenfamilie. Die gemeinsame Tochter Karoline Bittner ehelichte 1914 Johann Lentsch aus Wilfleinsdorf. Das Paar führte später den Betrieb des Vaters bzw. Schwiegervaters als Konditorei fort. Beim Bittner bzw. Lentsch bekam man auch Zuckerl, Würfeln, Schokolade und Mandelkonfekt.
Franz Mayer betrieb ebenfalls eine Zuckerbäckerei, später hat der „Mayer Gelati“ auch Speiseeis hergestellt. Die Eiserzeugung ist bei uns am Land nach dem Ersten Weltkrieg allmählich aufgekommen. Auch die Familie Lipsky hat damals Speiseeis produziert, sie hatte ihren Hauptabsatzmarkt im benachbarten Burgenland. Die Mannersdorfer konnten auch mit ihren eigenen Rohmassen zu Herrn Lipsky kommen und dort mit der Maschine zu Speiseeis fabrizieren lassen. Franz Lipsky belieferte die Mannersdorfer Gasthäuser zudem mit Kunsteis aus der Schwechater Brauerei zum Kühlen der Getränke im Eiskasten.
Foto 1: Backhaus Leopold Kolb, Hauptstraße 25 (Archiv Karl Trenker)
Foto 2: Bäckerei Kolb (Archiv Karl Trenker)
Foto 3: Werbeanzeigen Mannersdorfer Bäcker, 1950er-Jahre (Archiv Michael Schiebinger)
Foto 4: Bäckerei und Konditorei Zwiletisch im Jahr 2002 (Karl Trenker)